Vermählung um Mitternacht
wirkte er fassungslos, dann schaute er sie wütend an. Er ballte die Fäuste, stieß einen wütenden Fluch aus und stolzierte davon - ihr war, als trampelte er dabei auch auf ihrem Herzen herum. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging er die Treppe hinunter und begab sich in die Bibliothek, wo er die Tür hinter sich zuknallte.
Julia legte die Hand auf den Mund, um ihm nicht nachzurufen. Sie war weiß Gott keine Schönheit und würde auch nie eine sein. Aber mehr als einmal hatte sie in seinen Augen Begehren aufglühen sehen. Wie eine Närrin hatte sie zu hoffen gewagt, es könnte im Lauf der Zeit zu einem wärmeren Gefühl erblühen.
Aber das sollte wohl nicht sein. Mit hängenden Schultern betrat Julia ihr Zimmer und bereitete sich mechanisch für die Nacht vor. Während sie ihr Nachthemd überstreifte und das Haar zu einem schweren Zopf flocht, kämpfte sie mit den Tränen.
Es war deprimierend, einen Mann zu lieben, der nicht einmal die Bedeutung dieses Wortes kannte. Und sie liebte ihn, seit sie ihn zum ersten Mal getroffen hatte, obwohl sie, als er noch völlig außer Reichweite gewesen war, ihre eigenen Gefühle nie so genau unter die Lupe genommen hatte. Jetzt, wo sie ihm jeden Tag begegnete und merkte, wie nett und sanft er sein konnte, und ein viel besserer Mensch zu sein schien, als er selbst glaubte, war es die reinste Qual.
Ihr Blick fiel durch einen Tränenschleier auf ihr verschwommenes Spiegelbild, und sie nahm sich entschlossen zusammen. »Genug jetzt«, schalt sie den Schwächling im Spiegel. »Er heißt nicht umsonst,Teufel« Hunterston. Er ist absolut nicht vollkommen.«
Das hatte er heute Abend wieder einmal unter Beweis gestellt. Er hatte sie tyrannisiert, bedroht und sich gewaltsam Zutritt zu ihrem Zimmer verschaffen wollen. Wenn sie daran dachte, verging ihr jeglicher Rest an Enttäuschung, den sie vielleicht verspüren mochte, weil er es doch nicht getan hatte.
Aufgemuntert von der Erkenntnis, dass sie ihm, was Charakter, Tugendhaftigkeit und Beredsamkeit anging, um Längen voraus war, stieg sie ins Bett. Dann blies sie die Kerze aus und vertrieb sich die Zeit bis zum Einschlafen damit, all die Fehler ihres verkommenen Gatten aufzuzählen.
22. KAPITEL
Erst eine Stunde später hörte sie draußen Alecs Schritte. Sein steter, vorsichtiger Gang verriet, dass er viel zu viel getrunken hatte.
»Das hätte er ins Testament aufnehmen sollen«, murmelte sie. »Wenn ich nächstes Mal die Bedingungen für eine Ehe aushandle, verbiete ich Streit und Alkohol.«
Seine Schritte kamen näher. Sie konnte sich vorstellen, wie er aussah, mit zerdrückter Krawatte und einer pechschwarzen Haarsträhne, die ihm in die Stirn fiel, während er nach dem Türknauf tastete. Doch seine Tür ging nicht auf. Stattdessen senkte sich bleierne Stille auf den Flur herab.
Julia schlug die Decke zurück und schlich zur Tür. Sie presste das Ohr dagegen und lauschte angestrengt nach irgendeinem Laut. Doch außer ihrem eigenen Herzschlag konnte sie nichts hören. Sekunden dehnten sich zu Minuten, bis Alec draußen schließlich einen leisen Fluch ausstieß - seine Stimme kam so nah von der anderen Seite der Tür, dass Julia mit wild klopfendem Herzen zurückwich - zwei hastige Schritte tat und die Tür hinter sich zuknallte.
Julia ließ sich gegen die Tür sinken; die anfängliche Erleichterung wich rasch Enttäuschung und schließlich Ärger. »Wie rüde! Mitten in der Nacht mit den Türen zu schlagen! Rüde und unerträglich!« Sie kehrte zum Bett zurück und setzte sich mit verschränkten Armen hin. »Er benimmt sich wirklich kindisch. Verzogen ist er, genau. Kein Wunder. Ein Einzelkind, das beim Großvater aufwächst und von einer Schar Dienstboten verwöhnt wird. Und als er erwachsen ist, sieht er aus wie ein Märchenprinz, mit diesen Augen und den Haaren und ...« Sie kniff die Augen zusammen und seufzte.
Es war einfach nicht gerecht. Hier saß sie, hellwach und voll aufgewühlter Emotionen, während er längst tief und fest schlief.
Nun, sie war die Tochter ihres Vaters. Niemand hielt sie wach, wenn sie das nicht wollte. Julia stürmte zu ihrer Tür, riss sie auf und marschierte über den Flur.
Gerade als sie die Hand hob, um heftig zu klopfen, ging Alecs Tür auf.
Mit unergründlichem Ausdruck guckte er auf sie hinab. Seine breiten Schultern füllten den Rahmen aus; seine schlanke, muskulöse Gestalt steckte in einem rubinroten Morgenmantel, der nur lose um seine schmalen Hüften gegürtet war. Sie versuchte
Weitere Kostenlose Bücher