Vermaehlung um Mitternacht
werden?“
In seinen grauen Augen spiegelte sich Verwirrung. „Erinnerst du dich vielleicht an letzten Abend?“
„Natürlich entsinne ich mich an letzten Abend. Du bist in mein Zimmer gekommen, und dann haben wir ..."
„Nein“, unterbrach er sie errötend. „Das nicht. Ich meine die Dinnerparty, auf der die hübsche Desiree ein solches Aufsehen erregt hat. Du hast versprochen, deine Arbeit in der Vereinigung aufzugeben, wenn sie einen Skandal verursacht.“
Eigentlich hätte es ihr nichts ausmachen dürfen, dass Alec Desiree hübsch fand, denn das war das Mädchen ja auch. Und doch tat es weh, ihn das laut aussprechen zu hören. Vor allem, da er zu ihr noch nie etwas Derartiges gesagt hatte. Sie räusperte sich und entgegnete: „Aber sie hat doch keinen Skandal verursacht.“ „Julia, die Hälfte der Männer am Tisch wusste, wer und was diese Frau ist!“
Sie betrachtete ihn mit hochgezogenen Brauen. „Haben sie etwas in der Richtung geäußert, als ihr euch zum Portwein zurückgezogen habt?“
„Nein, alle haben sich bloß verlegen angeschwiegen und es nicht gewagt, einander in die Augen zu schauen.“
„Na also. Denen ist das viel zu peinlich, als dass sie ein Wort darüber verlieren würden. Du wirst schon sehen, da kommt nichts mehr nach. Von jetzt an lasse ich Desiree einfach unten, wenn wir Gäste empfangen.“
„So leicht wird es nicht sein.“
„Wart’s nur ab.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht länger darüber diskutieren. Du ziehst dich aus der Vereinigung zurück und wirst nichts mehr mit dieser lächerlichen Dienstbotenvermittlung zu tun haben.“
„Unsinn. Wir haben schon alles geplant für den Start nächste Woche.“
„Verdammt! Du hast doch gesehen, was passiert, wenn du eine deiner Frauen aus der Vereinigung als Dienstbotin ausgibst. Es funktioniert einfach nicht.“
„Desiree kann man wohl kaum als repräsentativ betrachten. Die Frauen der Vereinigung sind alle aus Whitechapel, keiner deiner Bekannten wird je mit ihnen zu tun gehabt haben.“
„Und wenn doch?“
„Dann werden sie es als Zufall abtun und nicht weiter darüber nachdenken. Nur wenige sind so auffällig wie Desiree.“
Alec hielt den Jagdwagen vor dem Hunterston House an. „Du wirst jemand anderen finden müssen, der das Projekt unterstützt.“ Er sprach langsam, als müsste er all seine Kraft darauf verwenden, seinen Ärger zu bezähmen. „Ich erlaube dir nicht, dich daran zu beteiligen.“
Julia schlug das Herz bis zum Hals. „Du kannst mich nicht aufhalten.“
„Heißt das, du gehorchst mir nicht?“
Sie dachte an den hoffnungslosen Blick der Frauen aus Whitechapel und stählte sich. „Ja.“
Alec starrte sie an. Sein Atem ging rasch, seine Lippen waren zu einer strengen Linie zusammengepresst. „Nun gut, meine Liebe. Nachdem du entschlossen bist, uns ins Verderben zu stürzen, brauche ich mir wohl auch keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob ich dein Zartgefühl verletze - oder das von irgendjemand anderem.“
„Was meinst du damit?“
„Von jetzt an werde ich wieder trinken, spielen und überhaupt tun, wonach mir der Sinn steht.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem kühlen Lächeln. „Vielleicht lege ich mir sogar eine Geliebte zu.“
„Aber die Testamentsvollstrecker ..."
„Werden sich nicht darum kümmern, solange ich diskret vorgehe. Trotz ihres Alters sind sie doch Männer von Welt und wissen, wie es im Leben zugeht.“ Er musterte sie streng. „Niemand wird sich darüber mokieren.“
Er hatte Recht. Sie selbst hatte die Regeln aufgestellt in der Hoffnung, ihn dem üblen Einfluss der Spielhöllen zu entziehen, die er so gern frequentierte. Mühsam die Zähne zusammenbeißend, damit er nicht sah, dass ihr Kinn bebte, raffte sie die Röcke und stieg aus der Kutsche. „Also gut, tu, was du nicht lassen kannst. Aber eines möchte ich dir noch sagen: Ein betrunkener Lebemann ist in meinem Bett nicht willkommen. Ich hoffe, dass du die letzte Nacht sehr genossen hast, denn es war das letzte Mal. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.“
Er betrachtete sie, ließ den Blick über ihr Gesicht, ihren Mund und ihre Kurven wandern. „Das werden wir ja sehen.“ Er tippte sich an den Hut und fuhr davon.
Wenn sie einen Stein zur Hand gehabt hätte, so hätte sie damit nach ihm geworfen. So aber musste sie sich damit zufrieden geben, das schmiedeeiserne Tor so fest zu treten, wie sie nur konnte. Als sie den Weg zum Haus hinaufhumpelte, bemerkte sie zu ihrem
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