Vermaehlung um Mitternacht
wie Schmerz. Alec starrte sie an und überlegte, ob sie von sich sprach. Ihm fiel es schwer, in der eleganten Frau, die ihm gegenüber saß, die schäbig gekleidete, hausbackene Anstandsdame von einst wiederzuerkennen. In dem hübschen, rosa gestreiften Musselinkleid, das mit kirschroten Bändern und anmutig fallenden Spitzen aufgeputzt war, wäre sie die Zierde jedes eleganten Salons gewesen. Er fragte sich, ob sie überhaupt ahnte, wie attraktiv sie nun war.
Julia fing seinen Blick auf und lächelte unsicher. „Ich weiß, du möchtest nicht, dass sich bei uns die Dienstboten auf die Füße treten, aber Mrs. Winston braucht wirklich Hilfe.“
„Hoffentlich ist dein Protégé dankbar, dass du ihr eine so ehrbare Stellung verschaffst.“
„Oh, das ist sie.“ Julia starrte wie gebannt auf den Briefbeschwerer. „Ich habe keine Ahnung, ob dir bewusst ist, dass in London ein beklagenswerter Mangel an guten Dienstboten herrscht. Lady Birlington und ich kennen allein drei Haushalte, die verzweifelt nach ausgebildetem Personal suchen.“ Julia faltete die Hände, sah ihm in die Augen und verkündete: „Deswegen gründet die Vereinigung eine Dienstbotenvermittlung. Das ist genau die richtige Lösung für die Frauen.“
Alec fing das Tintenfass gerade noch auf, bevor es auch noch über das Buch kippte. „Unsinn. Du kannst diese Frauen doch nicht als tugendhafte Haushälterinnen und Zofen ausgeben.“ „Ausgeben? Himmel, nein. Wenn wir sie erst einmal ausgebildet haben, dann sind sie auch tugendhaft.“
„Aber wie ...“ Er betrachtete ihren Gesichtsausdruck. „Dir ist es ernst damit.“
Julia Augen glänzten vor Aufregung. „Es war schrecklich schwierig, das Richtige zu finden.“ Sie kicherte. „Wir dachten sogar daran, eine Wurstfabrik aufzumachen.“
„Großer Gott!“ meinte er, als er erkannte, wie knapp er noch einmal davongekommen war. Plötzlich erschien ihm die Idee mit der Personalvermittlung ganz vernünftig. Er bemerkte ihre roten Wangen und ihre blitzenden Augen. Wirklich erstaunlich, fand er. Seine Frau freute sich darauf, ein paar gefallenen Engeln beizubringen, wie man Brötchen backte und Tee servierte. Nichts interessierte sie so sehr wie ihre Wohltätigkeitsarbeit.
Irgendwie war das ein frustrierender Gedanke.
Julia schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Wir wollen ein paar Dienstboten einstellen, richtig gute wie Mrs. Winston und Burroughs, damit sie die Frauen ausbilden. Vielleicht sollte ich ein paar Damen des ton einladen, damit sie sehen, wie ausgezeichnet sich die Dienstboten machen, und dann „Sie einladen? Wohin einladen?“
Sie schaute ihn verwirrt an. „Hierher natürlich.“
Alec klappte das Buch zu. „Julia, du kannst für die Vereinigung nicht von hier aus arbeiten.“
„Jemand muss das Projekt aber doch unterstützen, und das kann genauso gut ich sein.“
„Wir können uns einen Skandal nicht leisten.“
„Es wird keinen Skandal geben. Wir brauchen nur ein, zwei ehrbare Frauen, um sie ..."
„Es sind keine ehrbaren Frauen, Julia. Es sind Huren. Daran kannst du nichts ändern.“
Sie versteifte sich. „Sie haben sich gebessert, Alec. Die Umstände haben sie zu ihrem Beruf gezwungen. Schließlich mussten sie überleben.“
Eine Sekunde empfand er tatsächlich so etwas wie Eifersucht. Er fragte sich, wie es wohl wäre, wenn sie ihm so viel Gefühl wie ihren Reformvorhaben entgegenbringen würde.
Seufzend lehnte er sich zurück. „Ich sage ja nicht, dass diese Frauen keinen guten Grund für ihr Verhalten hatten, und auch nicht, dass sie dein Mitleid nicht verdienen. Es ist nur so, dass du dem ton nicht deine wohltätigen Projekte aufdrängen kannst.“ „Aber die Vereinigung ... “
„Die Vereinigung kennt dich als Julia Frant, nicht als Lady Hunterston.“ Er runzelte die Stirn. „Ich muss verrückt gewesen sein, selbst das zu gestatten. Wenn ich vermutet hätte, dass du die Sache so weit treiben würdest, hätte ich dir den Kontakt mit der Vereinigung von Anfang an untersagt.“
Mit zornig blitzenden Augen stand sie vor ihm. „Von allen unerträglichen ..." Sie ballte die Fäuste. „Ich möchte dich darauf aufmerksam machen, dass es meine Idee war, meine Identität zu verbergen. Und nur deswegen, weil du befürchtet hast, dass es wegen meiner Besuche in Whitechapel Gerede geben könnte.“
Alecs war nun ebenso entschlossen wie sie. Die Saison war in weniger als einem Monat vorüber, und dann läge der Großteil ihrer gesellschaftlichen
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