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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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genug Zimmer.«
    »Was macht dein Dad?«, fragte ich weiter, ohne über sie zu lachen.
    Wieder zuckte sie die Achseln. »Mama und Daddy haben aufgehört sich zu mögen. Hast du einen Freund?«
    »Nein.«
    »Hattest du schon mal einen?«
    »Mehr als einen.«
    »Gleichzeitig?«
    Ich antwortete nicht.
    »Warum bist du jetzt mit keinem mehr zusammen?«
    »Weil ich aufgehört habe, sie zu mögen.«
    »Alle?«
    »Fast alle.«
    »Oh. Das ist aber nicht schön.«
    »Nein«, räumte ich nachdenklich ein. »Wahrscheinlich nicht.«
    »Macht es dich traurig? Mama macht es traurig.«
    »Nein, mich macht es nicht traurig«, entgegnete ich mit einem gezwungenen Lachen, denn ihr Blick und ihr loses Mundwerk waren mir unbehaglich.
    »Du siehst aber traurig aus.«
    »Wie kann ich traurig aussehen, wenn ich lache?«
    Wieder zuckte sie die Achseln. Genau deshalb mochte ich Kinder nicht – in ihren Köpfen gibt es so viele Leerstellen und nicht genug Antworten. Genau aus diesem Grund hatte ich mich ja selbst als Kind nicht leiden mögen. Nie wusste man genug über das, was in der Welt vorging, und ich war nur äußerst selten einem erwachsenen Menschen begegnet, der mir weiterhelfen konnte.
    »Wanda, für ein Mädchen, das viele Fragen stellt, weißt du nicht sehr viele Antworten.«
    »Ich stelle eben andere Fragen als du«, konterte sie mit einem Stirnrunzeln. »Ich weiß nämlich eine Menge Antworten.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel …« Sie zögerte und dachte angestrengt nach. »Der Grund dafür, dass Mr. Ngambo von nebenan nicht auf den Feldern arbeitet, ist, dass er einen kaputten Rücken hat.«
    »Wo sind die Felder?«
    Sie deutete aus dem Fenster. »Da lang. Da wächst unser Essen, und wir gehen alle dreimal am Tag ins Speisehaus und essen es.«
    »Das ganze Dorf isst gemeinsam?«
    Sie nickte. »Petras Mama arbeitet da, aber ich möchte nicht da arbeiten, wenn ich älter bin, und auch nicht auf den Feldern. Ich möchte bei Bobby arbeiten«, erklärte sie mit einem verträumten Seufzer. Dann fuhr sie fort: »Der Vater von meiner Freundin Lacey arbeitet in der Bibliothek.«
    Ich überlegte, welchen Informationswert dieser letzte Satz hatte, konnte aber keinen entdecken. »Kommt denn manchmal jemand auf die Idee, seine Zeit etwas intelligenter zu verbringen, beispielsweise damit, zu überlegen, wie man hier rauskommt?«, fragte ich, mehr mich selbst als die Kleine.
    »Manche Leuten versuchen wegzugehen«, antwortete sie prompt. »Aber es klappt nicht. Es gibt keinen Weg hinaus, aber mir gefällt es hier, deshalb ist es mir egal.« Sie gähnte. »Ich bin müde, ich geh jetzt ins Bett. Nacht.« Damit kletterte sie von der Couch und ging zur Tür, eine kaputte Decke nachschleifend. »Gehört das dir?«, fragte sie, blieb stehen und hob etwas vom Boden auf. Als sie die Hand hochhielt, sah ich den Gegenstand kurz im Licht aufblitzen.
    »Ja«, antwortete ich mit einem Seufzer und nahm meine Uhr entgegen.
    Die Tür ging auf, orangegelbes Licht erfüllte den Raum, dann schloss sie sich wieder, und ich war allein in der Dunkelheit. Die Worte einer Fünfjährigen klangen mir in den Ohren.
Manche Leute versuchen wegzugehen, aber es klappt nicht. Es gibt keinen Weg hinaus …
    Das war das andere, was ich an Kindern nicht leiden konnte: Sie sagten immer genau das, was man selbst tief innen wusste, aber nicht zugeben und ganz bestimmt nicht hören wollte.

Zweiundzwanzig
    »Joseph ist also Zimmermann, und was machst du so, Maria?«, fragte ich Helena ironisch, als wir auf der staubigen Landstraße entlangschlenderten.
    Helena grinste.
    Wir waren durchs Dorf gewandert und gingen jetzt durch Felder in prächtigem Gold und Grün, auf denen sich Menschen aller Nationalitäten bei der Farmarbeit bückten und aufrichteten und anscheinend alles anbauten, was ich kannte oder auch nicht kannte. Genau wie die verschiedenen Nationalitäten und Rassen zeigte sich auch das Wetter in seiner ganzen Formenvielfalt. In der kurzen Zeit hatte ich hier bereits sengende Hitze, ein Gewitter, eine laue Frühlingsbrise und einen abrupten Kälteeinbruch erlebt, abwechslungsreiches Wetter, das meiner Vermutung nach auch für die ungewöhnliche Mischung aus Pflanzen, Bäumen, Blumen, Obstsorten und Feldfrüchten verantwortlich war, die hier allesamt in trauter Gemeinschaft gediehen. Wie dieses Zusammenleben bei den Menschen klappte, hatte ich noch nicht herausgefunden. Jetzt gerade war es wieder warm, wir schlenderten nebeneinander her, und ich fühlte mich wie

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