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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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dem Fenster über dem Waschbecken war schwarz. Sterne – die gleichen Sterne, die ich zu Hause kaum je zur Kenntnis nahm – glitzerten wie Weihnachtslichter über einem Spielzeugdorf.
    »Na, willst du mir nicht auch hi sagen?«, zwitscherte die Stimme fröhlich weiter.
    Ich seufzte. Für Kinder hatte ich nie Zeit gehabt, und als ich selbst eines gewesen war, hatte ich mich dafür verachtet.
    »Hi«, antwortete ich deshalb ohne großes Interesse.
    »Siehst du? War doch gar nicht so schwer, oder?«
    »Grauenvoll«, gab ich zurück, gähnte und streckte mich.
    Die Kleine hüpfte von der Lehne und zu mir herab, wobei sie mir fast die Füße zerquetschte.
    »Autsch«, jammerte ich und zog die Beine an.
    »Das kann doch nicht wehgetan haben«, meinte das Mädchen, senkte den Kopf und betrachtete mich zweifelnd.
    »Wie alt bist du, hundertneunzig?«, fragte ich und zog die Decke enger um mich, als würde sie mich beschützen.
    »Wenn ich hundertneunzig wäre, wäre ich längst tot«, erwiderte sie und verdrehte die Augen.
    »Und das wäre echt schade.«
    »Du magst mich wohl nicht, was?«
    Ich überlegte kurz. »Nein, eigentlich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil du dich auf meine Füße gesetzt hast.«
    »Bevor ich auf deinen Füßen gelandet bin, mochtest du mich auch schon nicht.«
    »Stimmt.«
    »Die meisten Leute finden mich süß«, verkündete sie und seufzte tief.
    »Ach wirklich?«, fragte ich und heuchelte Überraschung. »Nein, den Eindruck hab ich nicht von dir.«
    Sie schien nicht beleidigt, sondern interessiert.
    »Warum nicht?«
    »Weil du kaum einen Meter groß bist und keine Schneidezähne hast.« Ich schloss die Augen, lehnte den Kopf an die Rückwand des Sofas und wünschte mir, die Kleine würde verschwinden. Zwar dröhnte mein Kopf nicht mehr, aber garantiert würde das Zwitschern irgendwann einen Rückfall bewirken.
    »Ich bleib nicht immer so, weißt du«, sagte sie, wahrscheinlich um sich bei mir einzuschmeicheln.
    »Das hoffe ich für dich.«
    »Ich auch.« Sie seufzte erneut und lehnte den Kopf ebenfalls an die Couch.
    Schweigend starrte ich sie an, in der Hoffnung, sie würde es als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen und endlich das Weite suchen. Aber sie blieb sitzen und grinste mich an.
    »Von mir denken die meisten Leute, dass ich nicht mit ihnen sprechen möchte«, versuchte ich es etwas deutlicher.
    »Ach wirklich? Den Eindruck hab ich nicht von dir«, imitierte sie mich, auch wenn sie ohne Zähne bei der Aussprache gewisse Schwierigkeiten hatte.
    Ich lachte. »Wie alt bist du?«
    Sie streckte die Hand hoch, vier Finger und ein Daumen.
    »Vier Finger und ein Daumen?«, erkundigte ich mich.
    Sie verzog das Gesicht und starrte ihre Hand an. Ich sah, wie sich ihre Lippen beim Zählen bewegten.
    »Gibt es eine Schule, in der Kinder so was beigebracht kriegen?«, fragte ich. »Kannst du denn nicht einfach sagen, du bist fünf?«
    »Natürlich kann ich sagen, dass ich fünf bin.«
    »Warum hältst du mir dann deine Finger hin? Meinst du, das ist süßer?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Wo sind denn die anderen?«
    »Die schlafen. Hattest du einen Fernseher? Wir haben welche, aber die funktionieren nicht.«
    »Da hast du ja wirklich Pech.«
    »Ja, da hab ich Pech.« Wieder ein theatralisches Seufzen, obwohl es mir nicht vorkam, als wäre sie wirklich unglücklich darüber, dass sie nicht fernsehen konnte. »Meine Grandma sagt, ich stelle eine Menge Fragen, aber ich glaube, du fragst noch viel mehr.«
    »Stellst du gerne Fragen?« Das interessierte mich. »Was denn für welche?«
    »Normale Fragen«, antwortete sie achselzuckend.
    »Worüber?«
    »Alles.«
    »Wenn du immer weiterfragst, kommst du vielleicht eines Tages hier raus.«
    »Okay.«
    Schweigen.
    »Warum sollte ich hier rauswollen?«
    Anscheinend waren ihre Fragen doch nicht ganz so normal. »Gefällt es dir hier?«
    Sie schaute sich um. »Mein eigenes Zimmer gefällt mir besser.«
    »Nein, ich meine hier im Dorf«, entgegnete ich und deutete nach draußen. »Wo du wohnst.«
    Sie nickte.
    »Was machst du denn so den ganzen Tag?«
    »Ich spiele.«
    »Wie langweilig.«
    Wieder nickte sie. »Ja, manchmal schon. Aber bald komme ich in die Schule.«
    »Es gibt also eine Schule hier?«
    »Nicht hier drin, nein.«
    Offenbar reichte ihr Vorstellungsvermögen nicht aus diesem Raum hinaus. »Und was machen deine Eltern den ganzen Tag?«
    »Mama arbeitet bei Granddad.«
    »Ist sie auch Zimmermann?«
    Die Kleine schüttelte den Kopf. »Wir haben schon

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