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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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Debütantinnenball war lila gewesen, und die Narbe über ihrer linken Augenbraue stammte von einem Fahrradunfall, den sie mit acht Jahren gehabt hatte, als sie die Ferien in Bantry verbrachte. Mit fünfzehn hatte sie bei einer Party ihre Unschuld an Niall Kennedy verloren, den Jungen, der im Videoladen des Orts arbeitete, und sie hatte mit dem Auto ihrer Eltern einen Unfall gebaut, als diese eine Woche in Spanien Urlaub machten. Aber sie hatte es rechtzeitig reparieren lassen, sodass sie bis heute nichts davon wussten. Ihre Lieblingsfarbe war Flieder, sie liebte Popmusik und hatte bis zum Alter von vierzehn Jahren Klavierunterricht gehabt. Seit dem Alter von sechs Jahren träumte sie davon, Balletttänzerin zu werden, hatte aber nie Unterricht genommen. Seit fünfdreiviertel Jahren war sie hier.
    Aber so sehr ich mir das Hirn zermarterte, mir fiel kein passender Anfang ein, deshalb sagte ich schließlich: »Nun, Orla, erzählen Sie mir doch ein bisschen von sich.«
    Dabei beobachtete ich sie wie in Trance, die Lippen, die ich nur von Fotos kannte und die sich jetzt auf einmal bewegten, ihr lebhaftes Gesicht. Ihr singender Akzent, die langen blonden Haare. Auch sie hatten sich auf den Bildern nicht bewegt. Ich lauschte ihr wie gebannt.
    Als sie zu ihrem Studium am College kam, sah ich meine Chance. »Sie haben Kunstgeschichte in Cork studiert?«, wiederholte ich. »Ich kenne jemanden, der mit Ihnen im gleichen Semester war.«
    »O ja? Wen denn?« Vor Erstaunen sprang sie fast vom Stuhl.
    »Rebecca Grey.«
    Ihr blieb der Mund offen stehen. »Nein! Rebecca Grey ist eine meiner besten Freundinnen!«
    »Ach wirklich?« Mir fiel sofort auf, dass sie die Gegenwartsform benutzte. Rebecca Grey war bis heute ihre beste Freundin.
    »Ja! Das ist ja ein Ding! Woher kennen Sie sie?«
    »Oh, ich bin ihrem Bruder Enda ein paar Mal begegnet. Er ist mit Freunden von mir befreundet, Sie wissen ja, wie das ist.«
    »Was macht er denn jetzt?«
    »Vor ein paar Monaten hat er geheiratet, da hab ich ihn das letzte Mal gesehen. Möglicherweise bin ich da auch Ihren Eltern begegnet.«
    Orla schwieg einen Moment, und als sie wieder sprach, klang ihre Stimme gedämpft und ergriffen. »Wie geht es ihnen?«
    »Oh, sie schienen großartig in Form zu sein. Ich hab mich auch mit einer von Ihren Schwestern unterhalten, Lorna, glaube ich.«
    »Ja, Lorna!«
    »Sie hat mir erzählt, dass sie sich verlobt hat.«
    »Mit Steven?« Aufgeregt hüpfte Orla auf ihrem Stuhl in die Höhe und klatschte vor Begeisterung in die Hände.
    »Ja«, lächelte ich. »Mit Steven.«
    »Oh, ich wusste doch, dass die beiden wieder zusammenkommen«, lachte sie mit Tränen in den Augen.
    »Ihre ältere Schwester war mit ihrem Mann da. Und man konnte kaum übersehen, dass sie hochschwanger war.«
    »Oh.« Eine Träne rollte aus ihrem Auge, und sie wischte sie hastig weg. »Wen haben Sie sonst noch gesehen? Haben Mum und Dad irgendwas gesagt? Wie haben sie ausgesehen?«
    Und so führte ich Orla nach Hause.
     
    Eine halbe Stunde später räusperte sich Joan laut und demonstrativ, um mir mitzuteilen, dass die nächste Kandidatin zum Vorsprechen eingetroffen war. Weder Orla noch ich hatten gemerkt, wie sie hereingekommen war. Ich wollte auf meine Uhr schauen, um zu sehen, wie spät es war, aber da fiel mir ein, dass sie ja immer noch irgendwo auf der Straße lag, und eine vertraute Gereiztheit breitete sich in mir aus, als ich daran dachte, dass sie irgendwo sein musste, wo ich sie nicht finden konnte. Aber dann konzentrierte ich mich auf die nächste Frau, mit der ich mich unterhalten musste. Carol Dempsey stand neben Joan und rang nervös die Hände. Sofort verflüchtigte sich meine Gereiztheit, und ich bekam es wieder mit der Angst zu tun.
    »Tut mir leid, wir müssen Schluss machen«, sagte ich zu Orla.
    Sie machte ein trauriges Gesicht, und ich wusste, dass sie unsanft von zu Hause weggerissen worden und wieder in der hiesigen Realität gelandet war.
    »Aber ich hab doch noch gar nicht vorgesprochen«, protestierte sie panisch.
    »Ist schon in Ordnung, Sie bekommen die Rolle«, flüsterte ich beruhigend und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
    Augenblicklich hellte sich ihre Miene auf, sie erhob sich, beugte sich über den Tisch und ergriff meine Hände. »Danke, vielen, vielen Dank!«
    Ich sah ihr nach, wie sie mit Helena wegging, den Kopf voller Geschichten und Bilder von zu Hause. So viel zum Grübeln, neue Ideen und neue Erinnerungen, die alle neue Fragen und neue

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