Vermisst: Thriller (German Edition)
angestrengter als zuvor. Ich nahm ihn am Ellbogen.
Er streckte mir die Schlüssel hin. »Du musst fahren.«
Ich half ihm ins Auto. »Du musst ins Krankenhaus.«
»Hör mal, ich kann so unmöglich bei einer Bank antreten. Du musst das für mich erledigen.«
»Du musst sofort zum Arzt.«
Er warf einen Blick auf sein durchtränktes Hemd. »Das war ein Durchschuss, der keine lebenswichtigen Organe getroffen hat.«
»Das nehm ich dir nicht ab.«
»Wenn du mich ins Krankenhaus bringst und dich stellst, sind Jax und dein Vater erledigt.«
»Warum?«
»Weil wir an Rio Sanger nur über Riverbend rankommen und die Polizei das Dossier nie zu Gesicht bekommen darf. Die Informationen könnten deinen Vater und Jax das Leben kosten.«
»Wir müssen der Polizei vertrauen. Nicht alle Beamten können korrupt sein. Du darfst nicht von dir auf andere schließen.«
Er warf mir ein flüchtiges Lächeln zu, bei dem mir ganz unheimlich zumute wurde. »Dein Glaube an die Demokratie ist rührend.«
»So wie dein Zynismus. Aber im Augenblick bist du einfach unvernünftig. Du verblutest.«
»Zum Streiten haben wir keine Zeit. Du brauchst das Riverbend-Dossier.« Er packte mein Handgelenk und umklammerte es mit eisernem Griff. »Du musst es tun. Du darfst nicht versagen. Wenn wir Rio nicht die Informationen besorgen, sehen wir Jax und deinen Vater nie wieder.«
Ich blinzelte, um die Tränen zurückzudrängen, die mir in den Augen brannten.
Er schien sich an meinem Handgelenk festzuhalten. »Dir bleiben nur ein paar Stunden, bis die Polizei rausfindet, wer du bist. Ich hab keine Ahnung, ob sie dich für meine Komplizin oder eine Geisel halten werden. Auf jeden Fall werden sie dich mit Namen und Bild zur Fahndung ausschreiben. Damit verringert sich dein Spielraum drastisch.«
Er drehte mein Handgelenk so, dass er auf meine Uhr spähen konnte. »Achtzehn Uhr. Wenn du die Informationen bis dahin nicht hast, wirst du sie nicht mehr bekommen.«
Ich nickte resigniert, stieg rasch ein und ließ den Motor an. Dann raste ich durch die kurvige Straße, dass die Virginia-Eichen nur so an uns vorüberflogen.
»Falls ich das Dossier bekomme, geben wir es doch nicht einfach so an die Entführer weiter, oder?«
»Nein. Mit denen bin ich noch längst nicht fertig.«
Er warf mir einen Blick zu, der alles sagte. Ich wusste genau, was er im Sinn hatte.
Rache.
7. Kapitel
Einsatzfahrzeuge versperrten die Straße: Streifenwagen, zwischen denen Beamte in Uniform und Zivil herumliefen, ein Krankenwagen mit blinkendem Einsatzlicht. Schaulustige blockierten die Gehwege. Jesse bremste mit quietschenden Reifen und hievte sich aus dem Pick-up.
Was zum Teufel ging hier vor? Er schob sich durch die Menge. Hinter den Streifenwagen auf der Kreuzung entdeckte er das weiße Auto, das er schon vor Evans Haus beobachtet hatte. Polizei und Sanitäter drängten sich um jemanden, der auf der Straße lag und sehr tot aussah.
»Officer«, rief er einem vorbeihastenden Beamten zu, der in sein Funkgerät sprach. Der Mann gönnte ihm keinen Blick.
Jesse dröhnte der Kopf. Er hatte Phils Nachricht viel zu spät gehört. Hinter den Streifenwagen war nichts zu erkennen. Wer war der Tote auf der Straße?
Er schlug mit der Faust gegen den Streifenwagen vor ihm. »Hören Sie, ich muss hier durch.«
Der Polizist mit dem Funkgerät drehte sich um. »Was tun Sie denn hier?«
Das auch noch. Es war der Beamte, der Jesse in der Nacht hatte zum Arzt verfrachten wollen. Jesse deutete auf die Kreuzung. »Meine Freundin ist da vorn.«
Der Mann trat auf ihn zu. »Jetzt mal ganz langsam. Wovon reden Sie?«
Dann hörte Jesse seinen Namen. Drew Farelli eilte mit dem Handy am Ohr auf ihn zu.
»Drew.« Jesse zeigte auf das weiße Auto. »Den Mercury hab ich vor Evans Haus bemerkt. Er ist ihr nachgefahren.«
Farelli zückte seinen Ausweis und nickte dem Polizisten zu. »Das geht schon in Ordnung.«
Der Streifenbeamte deutete mit dem Daumen auf Jesse. »Sie kennen den Mann?«
»Ja.« Farelli, der seine Leibesfülle zwischen zwei Streifenwagen hindurchzwängte, entging der misstrauische Unterton nicht. Er sprach noch einmal kurz ins Telefon. »Ja, Mr. Gray, sofort.« Dann legte er auf. Sein Gesicht war grimmig. »Gehen wir ein Stück.«
Jesse wurde eiskalt. Als Farelli ihm die Hand auf die Schulter legte, schüttelte er sie ab.
»Hör auf, Drew. Ist sie das?«
»Nein.«
Unendliche Erleichterung erfüllte ihn. Er ächzte und rieb sich mit den Knöcheln die
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