Vermisst: Thriller (German Edition)
Type One wird das statische Rauschen aus dem Weltall erfasst, um über einen Algorithmus solche Zahlen zu erzeugen. Zur Entschlüsselung benötigt man den Algorithmus und einen Zeitstempel, der den genauen Augenblick angibt, in dem unsere Satelliten das Rauschen erfasst haben.«
»E.T. bei seinem Telefonat nach Hause?«
Sie hämmerte mit ihren manikürten Nägeln auf der Tastatur herum. »Ja, so hat sich die Suche nach außerirdischer Intelligenz doch schon gelohnt.«
»Hältst du jetzt auch den Countdown auf deinen Sticks an?«
»Ja.«
»Wenigstens etwas.«
»Eben hab ich den Dechiffriercode auf deinen Rechner geladen. Und jetzt …« Sie schob den Singapur-Stick in meinen Laptop. »Ich werde das Ding entschlüsseln, einige Informationen löschen und den Rest bearbeiten. Dann speichere ich die revidierte Fassung des Riverbend-Dossiers auf eine DVD, die du Rio übergeben kannst.«
»Klingt gut.«
Auf meinem Monitor erschien ein Videoclip. Es war die Sequenz aus Rios Bordell, wo sich die beiden Mädchen am Morgen danach bei ihrem Freier bedankten. Jax zoomte auf die Gesichter der beiden. »Sind das deine Kinder des Zorns?«
Tatsächlich erkannte ich in der Asiatin das Ungeheuer, das mich am Wat Po angesprungen hatte. Neben ihr stand die Blonde, die Tim in Los Angeles attackiert hatte. Ihre Gesichtszüge hatten sich in all den Jahren kaum verändert. Nur die unheimlichen Augen und die verbrauchte Haut verrieten ihr wahres Alter.
»Warum hält Rio die Mädchen absichtlich klein?«, fragte ich. Das war nicht nur menschenverachtend, sondern schien mir auch völlig sinnlos. »Es wäre doch bestimmt billiger, die Teenager durch Frischfleisch zu ersetzen, wenn sie ihr Haltbarkeitsdatum überschritten haben.«
Jax sah auf. »So hab ich dich noch nie reden hören.«
Für einen Augenblick schämte ich mich, aber das Gefühl war sofort wieder verflogen. »Ich versuche bloß, mich in meinen Gegner reinzuversetzen.«
»Ich gehe davon aus, dass diese Wesen Fähigkeiten entwickelt haben, die kein echter Teenager besitzt.«
»Wertschöpfung. Und nicht nur im Schlafzimmer.« Mein Blick blieb an den Gesichtern der Mädchen hängen. »Blend das aus.«
Ohne jegliche Regung schaltete sie das Video aus und tippte weiter.
Ich starrte immer noch auf den Monitor. »Auf dem Video sprichst du von drei Kindern.«
»Ja. Rio hatte drei Schoßhündchen, die sie überallhin mitnahm. Die eine nannte sie Bliss. Die Thailänderin …« Sie tippte weiter. »Ich glaube, der hatte sie den Namen Shiver verpasst.«
»Und das dritte Kind?« Ich verschränkte die Arme, aber die Antwort blieb aus. »Ist es die Kleine auf dem Riverbend-Video? Die in der Astgabel?«
Jax schaute auf. »Nein.«
»Wo ist sie? Auf dem Video hast du gesagt, sie wäre verloren.«
Sie hörte auf zu tippen. Allmählich hatte ich die Nase voll.
»Jax, die Kleine im Baum. Wie ist ihr Spitzname?«
Bevor ich auch nur Luft holen konnte, war sie aufgesprungen und hatte sich vor mir aufgebaut. Ich hob abwehrend die Hände und trat einen Schritt zurück.
»Siehst du sie irgendwo?« Ihr Blick loderte wie Feuer. »Noch ein Leben, das durch Riverbend aus den Fugen geraten ist. Sie ist weg, verstanden?«
Jax wirkte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
»Was hat Rio ihr angetan?«
Eine Sekunde lang dachte ich, sie würde es mir sagen – oder mir eine Ohrfeige verpassen. Aber dann schüttelte sie nur den Kopf, hob die Hände und ging zu ihrem Rechner zurück. Hilflos sah ich zu, wie sie auf die Tastatur eindrosch.
»Glotz nicht so«, sagte sie.
Da mir nichts Besseres einfiel, schlenderte ich zum Couchtisch und stöberte ein wenig in den Einkaufstüten.
Aber sie hatte sich schon wieder unter Kontrolle. »Ich muss telefonieren. Geh auf den Balkon und genieß die Aussicht.«
»Ich muss Jesse anrufen.«
Sie deutete auf die Tüten. »Da ist ein neues Handy für dich dabei. Aber fass dich kurz, der Anruf ist nicht verschlüsselt. Maximal dreißig Sekunden.«
»Das kann ich ihm nicht antun.«
»Dann nimm die Webcam und red online mit ihm.«
Nachdem ich Kamera und Handy gefunden hatte, wagte ich mich vorsichtig an meinen Computer. Sie hörte auf zu tippen, blickte aber nicht auf.
»Wie lange willst du Jesse eigentlich noch vertrösten?«, fragte sie.
»Für den Augenblick habe ich dringendere Probleme.«
»Wer sagt dir, dass es ein Morgen gibt?« Sie lehnte sich zurück. »Heirate ihn. Gründe eine Familie.«
Mich überlief es heiß. Der Gedanke an das Kind,
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