Vermisst: Thriller (German Edition)
das wir verloren hatten, schmerzte immer noch. Jax wusste natürlich nichts davon.
»Dir bleibt nicht mehr viel Zeit. Warte nicht, bis der richtige Augenblick kommt. Den gibt’s nicht.« Sie ließ die Hände in den Schoß sinken. »Ich wollte warten und musste teuer dafür bezahlen. Wenn du den Richtigen gefunden hast, halt ihn fest.«
Meine Kehle war wie zugeschnürt. Jax’ braune Haut war fleckig geworden, und ihre Knöchel hatten sich vor Anspannung weiß gefärbt. Jedem anderen hätte ich tröstend die Hand auf die Schulter gelegt.
»Jax, Tim kommt schon wieder in Ordnung.«
»Nein, das tut er nicht. Und selbst wenn …« Der Schmerz war ihr deutlich anzusehen. »Tim ist mein Partner und mein Freund, aber geliebt habe ich einen anderen.« Ihre Stimme wurde bitter. »Für mich ist es zu spät. Nutz du deine Chance!«
Sie warf Petes DVD aus und schob mir meinen Rechner hin. »Geh nach draußen. Ich hab zu arbeiten.«
Als ich auf den Balkon vor dem Schlafzimmer trat und die Tür hinter mir schloss, starrte sie mit leerem Blick auf den Monitor.
20. Kapitel
Die junge Frau an der Rezeption des Shangri-La begrüßte Shiver mit sanftem Lächeln und einem anmutigen Wai.
»Ich möchte das für einen Gast abgeben«, sagte Shiver und legte den Umschlag auf die Theke. »Für Mrs. Rivera.«
»Gerne.«
Shiver war noch nicht zufrieden. »Sie ist möglicherweise unter ihrem Ehenamen abgestiegen, aber ich bin sicher, das Personal kennt sie. Eine Afroamerikanerin mit sehr forschem Auftreten.«
Das Mädchen nickte. »Ja, danke. Wir leiten den Brief weiter.«
»Kop khun ka«, bedankte sich Shiver, bevor sie in die schwüle Nacht hinaustrat. Im Pool planschten Kinder. Sie hatte es bereits im Mandarin Oriental, im Marriott und im Peninsula versucht. Im Ausschlussverfahren war sie dann hier gelandet.
Bliss hockte in einem Sessel in der Lobby, lauschte der Tanzmusik und kratzte sich am Arm. Dabei beobachtete sie, wie die Rezeptionistin den Umschlag nach Rücksprache mit einer Kollegin einem Pagen überreichte, der sofort auf die Aufzüge zusteuerte.
Bliss erhob sich, um ihm zu folgen. Gleichzeitig wählte sie Shivers Telefonnummer. »Sie sind hier. Geh in die Telefonzentrale.«
Draußen auf dem Balkon hüllte mich die feuchtwarme Nachtluft ein wie ein Kokon. Ich stellte meinen Laptop auf einen Tisch und schloss die Webkamera an. Tief unter mir rauschte der Lärm der Stadt. Motorroller dröhnten über die Brücken, und auf dem Wasser röhrten die Triebwerke der Langboote. Im schwarzen Wasser des Flusses spiegelten sich goldene Lichter. Aus dem Ballsaal des Hotels drang Orchestermusik, und im Pool planschten Kinder.
Mit klopfendem Herzen wählte ich Jesses Nummer. Er nahm schon beim ersten Klingeln ab.
»Ich kann nur hoffen, dass du es bist«, meldete er sich.
»Mir geht’s gut. Schließ deine Webcam an, ich bin gleich online.«
»Gib mir zwei Minuten und deine Handynummer. Und rühr dich nicht vom Fleck, bis ich mit dir gesprochen habe.«
Ich gab ihm die neue Nummer durch, hängte auf und wandte mich meinem Computer zu. Meine Handflächen waren schweißnass.
Drinnen in der Suite marschierte Jax mit dem Handy am Ohr zwischen Schlaf- und Wohnzimmer hin und her. Sie hatte den Fernseher eingeschaltet, um ihr Gespräch zu übertönen, und auf dem Bildschirm lief eine thailändische Soap Opera. Als sie in meine Richtung schaute, wandte ich mich taktvoll ab, und studierte stattdessen das schillernde Blattgold des Lichtermeers unter mir.
Mit einem Piepsen öffnete sich der Videobildschirm auf meinem Computer. Trotz aller Anspannung und Erschöpfung ertappte ich mich dabei, dass ich aus unerfindlichen Gründen lächelte.
Jesse kauerte mit verstrubbeltem Haar am Küchentisch und blinzelte verschlafen. Durch das Fenster hinter ihm konnte ich die in der Morgendämmerung blau schimmernden Berge erkennen.
»Bist du noch in Bangkok?«
»Ja, aber nicht mehr lange.«
Er fummelte an der Kamera herum, und auf einmal wurde das Bild so deutlich, dass ich geradezu die Brandung vor seinem Haus hörte und die salzige Seeluft roch, deren Duft nach dem Schwimmen immer an seiner Haut haftet. Die dämmrige Beleuchtung warf Schatten auf sein Gesicht.
»Was ist denn mit deinem Haar passiert?«, fragte er.
»Ich bin einer Schere zu nah gekommen.«
»Du siehst aus wie Chrissie Hynde. Und jetzt sitz still und hör mir zu.«
Sein Ton beunruhigte mich. »Hast du was von Dad gehört?«
»Nein. Kein Wort.«
»Was ist es
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