Verneig dich vor dem Tod
kahlen, dünnen Bäumen bestand, mit einigen Gruppen von immergrünen Bäumen dazwischen. Es war eine flache Gegend nahe der See, so nahe, daß sie das ferne Rauschen der anlaufenden und wieder abebbenden Wellen hören konnten. Jetzt mischte sich ein anderes Geräusch darein.
Fidelma zügelte ihr Pony und legte Eadulf die Hand auf den Arm. Er blickte aus seinem Nachgrübeln auf und hielt ebenfalls an.
Es war das Knallen einer Peitsche gewesen, das sie gewarnt hatte, und nun wiederholte es sich zweimal schnell hintereinander. Sie vernahmen ein leises Rollen und das Klirren von Metall. Dann war ein Ruf zu hören.
Fidelma spähte in die Richtung dieser Geräusche. Sie kamen von dem Weg vor ihnen, der sich im Wald außer Sicht schlängelte.
Eadulf suchte die Umgebung nach einem möglichen Versteck ab.
Er berührte ihren Arm und zeigte zwischen den hohen Eichen am Rande des Weges hindurch auf ein Gehölz von immergrünen Bäumen und Büschen, vielleicht Stechpalmen und Tüpfelfarn, da war er sich nicht sicher. Er wußte nur, das war in dieser Wildnis ihre einzige Hoffnung auf Deckung. Ihnen blieb keine Zeit, lange zu überlegen. Sie lenkten ihre Ponys rasch vom Weg ab in den dünnen Schutz, den die immergrünen Bäume boten. Kaum waren sie dahinter, sprangen beide ab und hielten die Ponys fest am Zügel. Erst dann fiel es Eadulf ein, daß ihre Spuren im Schnee wohl deutlich zu sehen wären.
Doch nun war es zu spät. Um die Wegbiegung jagte eine leichte Kutsche heran, von zwei kräftigen Pferden gezogen. Sie war reich geschmückt und verziert. Das Wappen an der Tür konnten sie freilich nicht erkennen. Vorhänge am Fenster der Kutsche bauschten sich im Fahrtwind. Sicher saß eine hochstehende Persönlichkeit darin. Was sie beide überraschte, war jedoch der Kutscher.
Es war ein junger Mann, der offensichtlich das Lenken einer zweispännigen Kutsche gewohnt war. Er hielt die Zügel mühelos mit einer Hand, knallte mit der anderen Hand mit der Peitsche und ermunterte die Tiere mit Rufen zu ihrer rasenden Fahrt durch den Wald. Das Erstaunliche an ihm war seine Kleidung: eine Mönchskutte.
Eine Pferdelänge hinter der Kutsche folgten vier berittene Krieger, jeder mit einer Lanze, an der ein viereckiges Stück Seide flatterte.
Alle waren gut gekleidet und wohl bewaffnet; sie bildeten offensichtlich die Eskorte der Kutsche.
Alle hatten soviel Schwung, daß niemand die Stelle auffiel, an der Eadulf und Fidelma vom Weg abgebogen waren.Kutsche und Begleitung brausten weiter durch den Wald, und ihr Lärm verklang langsam in der Ferne.
Eadulf atmete erleichtert auf und reckte sich.
»Hast du das Wappen an der Kutsche erkannt?« fragte Fidelma, richtete sich ebenfalls auf und streichelte ihrem Pony zum Dank für sein Stillbleiben die Schnauze.
»Nicht das an der Kutsche«, gestand Eadulf. »Aber das Zeichen auf den Wimpeln der Eskorte war deutlich zu sehen.«
»Und was war das für eins?« forschte Fidelma und stieg wieder auf.
»Es war das Wolfszeichen der Wuffingas, der Könige der Ost-Angeln. Nur die Leibwache des Königs darf es führen.«
Fidelma bedachte das schweigend, während er sein Pony bestieg, dann ritten sie langsam zu dem Hauptweg zurück.
»Meinst du, daß es womöglich der König der Ost-Angeln war, der eben an uns vorbeifuhr?« fragte sie schließlich. Plötzlich lächelte sie. »Vielleicht stimmte das Gerede doch, daß dein König auf dem Weg nach Süden war.«
»Vielleicht.« Doch Eadulf schien auszuweichen, und als sie ihn drängte, fügte er hinzu: »Ich habe nicht dasselbe Zeichen an der Kutsche gesehen, und ich wüßte auch nicht, warum König Ealdwulf sich von einem Mönch fahren lassen sollte. Das wäre ungewöhnlich.«
Dem war sie geneigt zuzustimmen.
»Und mit nur vier Kriegern als Eskorte. Wäre es nicht seltsam, daß der König so ins Gebiet deines Freundes Aldhere reiste?« meinte Fidelma.
Eadulf wiegte verwundert den Kopf.
»Noch ein Geheimnis auf dem Weg zur Wahrheit.«
»Falls die Wahrheit hier auf irgendeinem Wege zu finden ist«, murmelte Fidelma.
Sie waren über eine Stunde geritten, als Eadulf vertraute Zeichen entdeckte.
»Ich glaube, wir sind nicht weit von Aldheres Bau«, sagte er fröhlich. »Vielleicht können wir nun ein paar Dinge aufklären.«
Fidelma gab keine Antwort, und sie ritten schweigend weiter in die Richtung, die er angab.
Der Ton eines Widderhorns ganz in ihrer Nähe ließ sie ihre Ponys überrascht zügeln.
Es gab Bewegung an den Seiten des Weges,
Weitere Kostenlose Bücher