Verneig dich vor dem Tod
und plötzlich standen ein halbes Dutzend Krieger mit gezogenen Waffen neben ihnen. Eadulf erkannte sofort Wiglaf an ihrer Spitze. Auch er sah Eadulf, grinste breit und befahl den anderen, ihre Waffen einzustecken.
»Noch zwei Geächtete, die sich uns anschließen wollen, wie,
gerefa
?« begrüßte er sie. Eadulfs verblüffte Miene löste Gelächter aus. »Alle haben von der Belohnung gehört, die der Abt für eure Köpfe ausgesetzt hat, also nehme ich an, daß ihr bei uns Schutz sucht. Du hättest versuchen sollen, mich zu treffen, wie wir es besprochen hatten, dann hätten wir euch die Reise erleichtert.«
Eadulf hatte völlig vergessen, daß er, wie Botulf vor ihm, ein Treffen mit Wiglaf außerhalb der Abtei vereinbart hatte, falls es etwas Dringendes gäbe.
Er machte Wiglaf mit Fidelma bekannt, als ein anderer Reiter den Weg entlangtrabte. Es war eine schlanke Gestalt in einem schweren Mantel, das Gesicht von einer tief herabgezogenen Kapuze verhüllt. Eadulf hatte den Eindruck, es wäre ein Jüngling oder eine Frau. Die Schar der Geächtetenmußte sie wohl kennen, denn sie drängten ihre Pferde an den Rand des Weges, um den Reiter unbehindert durchzulassen.
Wiglaf bemerkte Eadulfs Neugier und kicherte lüstern.
»Das ist eine alte Freundin. Lioba besucht uns oft in unserem Lager. Und jetzt …« Er nickte in die Richtung, aus der die Reiterin gekommen war. »Ich werde euch hinführen. Los, ich reite voraus.«
Er wendete sein Pferd und befahl seinen Leuten, wieder ihre Stellungen zu beziehen. Es waren die Wachposten, die das Lager der Geächteten schützten.
Als sie weiterritten, fragte ihn Fidelma: »Du warst Botulfs Vetter und standest mit ihm in der Abtei in Verbindung?«
»Das war ich, Schwester«, antwortete Wiglaf ernst.
»Ich möchte dir ein paar Fragen stellen.«
»Das muß noch warten, denn da vor uns liegt Aldheres Lager, und ich muß gleich zurück zu meinen Männern. Ich komme zum Mittagessen ins Lager, dann kannst du mich fragen, was du willst.«
Das Lager war nur noch Minuten entfernt, und Aldhere war bereits auf ihr Kommen vorbereitet, denn Wiglaf hatte sein Widderhorn genommen und es erneut kurz und scharf geblasen. Aldhere stand vor seiner Hütte, die Hände an den Hüften, und lächelte leise. Als sie ihre Ponys zügelten und abstiegen, ging er mit ausgestreckter Hand auf sie zu.
»Sei gegrüßt, heiliger
gerefa
! Ich hatte keinen Zweifel daran, daß ich dich wiedersehen würde. Und diesmal hast du die irische Hexe mitgebracht?«
Er lachte dröhnend über Fidelmas mißbilligende Miene.
»Keine Angst, gute Schwester, mein Humor ist anders alsder meines Bruders. Ich zweifle nicht an deiner Frömmigkeit. Ich bin Aldhere, ehemals Than von Bretta’s Ham, jetzt ein einfacher Geächteter. Du bist willkommen in meinem Lager. Kommt mit in meine Hütte. Es ist ein bescheidener, ungastlicher Ort, aber er bietet euch Schutz vor unserem harten Winter.«
Wie Eadulf zuvor, wurde auch Fidelma mitgerissen von dieser Mischung aus Jovialität und Dominanz. Sie folgte ihm fast gehorsam, ohne etwas zu erwidern, doch ihre Blicke erfaßten die ganze Umgebung, die Männer, Frauen und Kinder, die diese kleine Waldlichtung bevölkerten. Wiglaf war anscheinend auf seinen Wachposten zurückgekehrt, aber sie sah noch viele bewaffnete Krieger im Lager.
»Und bist du zufrieden, gute Schwester?« fragte Aldhere, hielt die Tür der Hütte mit einer Hand auf und trat zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen. Seinem scharfen Blick war ihre Musterung des Lagers nicht entgangen.
»Zufrieden?« Sie fühlte sich überrumpelt.
»Mit meinem Lager natürlich. Meine Männer bringen ihre Frauen und Kinder zur Sicherheit hierher mit. Wir erwarten keinen Angriff von König Ealdwulf, bevor das Tauwetter einsetzt. Wenn der Winter so weitermacht wie bisher, dann wird das erst im Frühjahr sein, so Gott will. Ealdwulf kämpft nicht gern mit schmutzigen Stiefeln. Er wird trockenes Wetter abwarten.«
Er winkte ihnen, sich auf Schemel zu setzen. Seit Eadulfs Besuch vor ein paar Tagen hatte sich der Raum nicht verändert. Er schaute sich nach Bertha, der fränkischen Frau, um, doch von ihr war nichts zu sehen. Aldhere fing seinen Blick auf und lächelte wieder.
»Meine Frau, Bertha, ist mit einem meiner Männer auf dem Markt in Seaxmund’s Ham, um Lebensmittel zu kaufen. Ihr seht, wir rauben und stehlen nicht, sondern kaufen bei den Händlern ein.«
»Und wo kommt das Geld her, mit dem ihr die Händler dafür bezahlt?«
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