Verneig dich vor dem Tod
und eine, die ich erwartet hatte.«
»Erhält sie auch eine Antwort?«
»Ja. Ich kam her, weil Bruder Botulf an König Ealdwulf appelliert hatte, über Aldheres Ächtung erneut zu verhandeln.«
»Und sollte es eine neue Verhandlung geben?«
Sigeric schüttelte den Kopf. »Es sollte bei dem ersten Urteil bleiben. Außerdem gab es noch Beschwerden von Abt Cild, der Than von Bretta’s Ham werden wollte.«
»Und was solltest du ihm sagen?« fragte Fidelma.
»Ich sollte Cild raten, sich mit dem Spruch seines Königs abzufinden. König Ealdwulf wurden seine Beschwerden lästig.«
»Er hatte das ursprüngliche Urteil des Königs nicht annehmen wollen«, erinnerte ihn Eadulf. »Warum sollte er das jetzt tun?«
»Das hat möglicherweise den Teufel in ihm geweckt.« Sigeric überlegte einen Augenblick. »Ich bin kein Christ, aber ich bin alt genug, um zu erkennen, wenn der Teufel in einem Menschen steckt. Ich glaube, der König hat einen Fehler gemacht, als er ihn als Abt dieser Abtei bestätigte. Ich werde ihn nach meiner Rückkehr ersuchen, die Angelegenheit mit seinem Bischof zu besprechen. Cild ist für dieses Amt hier nicht geeignet.«
»Es erscheint mir eigenartig, daß der König seinen Oberhofmeister den ganzen weiten Weg hierher schickt, nur um das festzustellen«, bemerkte Eadulf. »Dafür hätte auch ein Abgesandter niederen Ranges genügt.«
Sigeric lächelte ihm zu, und seine hellen Augen funkelten.
»Du beobachtest gut, Eadulf. Das war nicht der einzigeGrund, weshalb ich hergeschickt wurde. Nun gut, ich werde es euch sagen. Bruder Botulf war vielleicht im Irrtum, als er sich für Aldhere einsetzte, aber er war ein guter Mann. Er hatte berichtet, daß es in den letzten Monaten in wachsender Zahl Überfälle durch Kriegerbanden gegeben hatte, die seiner Ansicht nicht Aldhere anzulasten waren. Er glaubte, daß Cild dafür verantwortlich sei, aber er konnte es nicht beweisen. Ich kam her, um das zu untersuchen.«
»Und was ist mit Aldhere?« fragte Fidelma.
»Aldhere? Morgen ist er sicher. Ob die Überfälle und Brandschatzungen nun von ihm oder von seinem Bruder ausgingen – und das werde ich schon herausbekommen –, so bleibt Aldhere doch geächtet und wird vom König nicht begnadigt.«
»Meinst du, daß das Urteil gegen ihn gerecht war?«
Wieder lächelte Sigeric dünn. »Du hast zweifellos mit Aldhere gesprochen?«
»Natürlich.«
»Er ist eine beeindruckende und überzeugende Erscheinung. Sagen wir, das Urteil des Königs war gerecht entsprechend dem, was ihm vorgetragen wurde. Der König wird seinen Spruch nicht ändern.«
Fidelma nickte gedankenvoll. »Na, dann können wir an unsere Hauptaufgabe gehen und versuchen, das Übel zu entlarven, das alle diese Mauern zu durchdringen scheint.«
Die Kapelle war voll besetzt, nicht nur mit Mitgliedern der religiösen Gemeinschaft der Abtei, sondern auch mit Gadra und Garb und ihren Gefolgsleuten, mit Bruder Laisre und seinen Mitbrüdern, mit dem spöttischen Aldhere samt Bertha und einigen seiner Schar von Geächteten, die er zuseinem persönlichen Schutz mitgebracht hatte, wie er behauptete. Ferner war der Bauer Mul anwesend, der am Vormittag als Fidelmas Bote fungiert hatte. Lord Sigeric hatte den gewohnten Platz des Abts vor der Gemeinde eingenommen. Er trug eine Amtskette und hatte seinen Amtsstab bei sich.
Als Fidelma die Kapelle betreten hatte, mit Eadulf an ihrer Seite, war ihr aufgefallen, daß von Abt Cild nichts zu sehen war, und sie hatte sich sofort bei Sigeric nach ihm erkundigt.
»Der Mann ist geistig umnachtet, Schwester. Er lebt nicht mehr in dieser Welt«, erklärte ihr der Oberhofmeister. »Der Mord an dem, was er für den Geist seiner schon lange verstorbenen Frau hielt, hat sein Gemüt völlig verstört. Er sitzt in seinem Zimmer, murmelt und kichert vor sich hin und hat sich in seine eigene Welt zurückgezogen. Es wäre sinnlos, ihn vor diese Versammlung zu bringen.«
Diese Nachricht überraschte sie nicht. Sie hatte gesehen, in welchem Zustand Abt Cild war, als er in sein Zimmer geführt wurde. Davon, dachte sie, würde er sich nicht so schnell erholen, wenn überhaupt jemals. Das war auch eine Art von Gerechtigkeit, wenn es auch besser gewesen wäre, er hätte sich vor dieser Versammlung für seine Sünden verantworten können.
Sie schaute sich unter den Versammelten um und erblickte Bruder Willibrod auf einem hervorgehobenen Platz. Er wirkte nun wieder gefaßt und hielt sich aufrecht. Sein eines ruheloses Auge war
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