Verneig dich vor dem Tod
Richtung ist er geritten?«
»Auf Hob’s Mire zu.«
Sie stürmten hinaus auf den Haupthof der Abtei und sahen, wie eine Gruppe irischer Krieger mit Garb an der Spitze auf ihren Pferden aus dem Hof herausgaloppierten.
Sigeric wandte sich zu Werferth um, der an seiner Seite geblieben war.
»Setz ihnen nach«, befahl er. »Sorge dafür, daß sie dem Abt keinen Schaden zufügen, wenn sie ihn wieder einfangen.«
Gadra, der mit Bruder Laisre unbemerkt zu ihnen getreten war, sagte leise: »Mein Sohn wird Cild nichts tun. Er unterliegt den Beschränkungen des
troscud
. Jetzt ist es nicht erlaubt, den Abt zu verletzen. Schwester Fidelma, erklär dem Sachsen, daß es stimmt, was ich sage.«
»Gadra hat recht«, antwortete sie sofort. »Sobald das
troscud
verkündet ist, darf keine Seite der anderen einen Schaden zufügen, bis es zur Schiedsverhandlung kommt.«
Werferth war schon unterwegs und jagte zum Tor der Abtei hinaus, den anderen nach.
Fidelma schüttelte enttäuscht den Kopf.
»Das ist höchst ärgerlich«, murmelte sie.
Sigeric war derselben Meinung.
»Wenn ich mich recht erinnere, warst du im Begriff, einen der Brüder hier zu beschuldigen …«
»Bruder Higbald, den Apotheker«, warf Eadulf aufgeregt ein. »Er war mit Lioba an einer Verschwörung beteiligt.«
Mit erschrockener Miene eilte Fidelma in die Kapelle zurück, und die anderen folgten ihr. Wie sie befürchtet hatte, war von Higbald nichts zu sehen, auch nicht von Beornwulf und einem halben Dutzend anderer junger Mönche. Sie stampfte mit dem Fuß auf und wandte sich rasch an Sigeric.
»Wie viele Krieger hast du noch hier, auf die du dich verlassen kannst?«
Sigeric war überrascht.
»Werferth ist gerade fort, hinter den Iren her. Ich habe noch drei Mann und den Kutscher, aber der ist kein Krieger. Was gibt es für eine Gefahr, gegen die du Krieger brauchst?«
Sie überhörte die Frage und wandte sich an Gadra.
»Und du? Wie viele Krieger hast du?«
»Zwei Mann, meine Leibwache. Die übrigen hat mein Sohn mitgenommen. Was beunruhigt dich, Schwester Fidelma?«
»Higbald«, erwiderte Fidelma. »Er wird uns alle beunruhigen. Er ist ein Krieger aus Mercia, und mindestens sechs der jungen Männer, die bei ihm waren, sind es auch, darunter Beornwulf.«
Sigeric war verwirrt.
»Das verstehe ich nicht. Was tun Krieger aus Mercia hier in dieser Abtei?«
Fidelma preßte kurz die Lippen zusammen.
»Das ist leicht zu erklären. Euer Nachbar, Wulfhere von Mercia, versucht, seinem Königreich wieder zu größerer Macht zu verhelfen. Er schickte Higbald mit einigen seiner Krieger her, weil er von den Zwistigkeiten zwischen Cild und Aldhere erfahren hatte. Higbald hatte den Auftrag, zu Gewalttaten anzustacheln und die Spannungen zu erhöhen, so daß König Ealdwulf mit Heeresmacht eingreifen muß …«
»Genau das hat er auch vor«, bestätigte Sigeric. »Deshalb wurde ich hergesandt, um Botulfs Wunsch zu entsprechen und Cild und Aldhere zu warnen, sie sollten ihre Gewalttaten einstellen, sonst würde Ealdwulf ihnen ein Ende setzen.«
»Higbald und seine Leute kamen in die Abtei unter dem Vorwand, sie wären Mönche. Es war eine gute Tarnung, und die Abtei eignete sich hervorragend als Basis, von der aus sie Unruhe verbreiten konnten. Da es eine alte Festung ist, konnten sie ihre Waffen in einem der ungenutzten Räume unter der Abtei verbergen. Es gibt dort verschiedene Räume und Gänge. Botulf hatte das entdeckt, wurde aber von Higbald oder einem seiner Männer erschlagen, bevor er davon Nachricht geben konnte. Seine Leiche fand man draußen vor der Tür zur Krypta.«
Sigeric konnte ihr immer noch nicht ganz folgen.
»Meinst du, daß Botulf euch deshalb zur Abtei bestellt hat?«
»Seine Entdeckung der geheimen Waffenkammer Higbalds geschah zufällig«, erklärte Fidelma. »Er hatte Eadulf einfach wegen des
troscud
hergerufen.«
»Als du vorhin im Begriff warst, Higbald der Verschwörung mit Lioba zu beschuldigen, sollte deine Anklage darauf hinauslaufen?« fragte Sigeric.
»Ich hoffte, Higbald dahin zu bringen, daß er die Verschwörung zugab«, räumte Fidelma ein. »Der Beweis ist wohl in seiner Flucht zu sehen. Als vor zwei Tagen mehrere von Aldheres Männern getötet wurden, brachte man Gegenstände bei den Leichen an, die zeigen sollten, daß Mönche der Abtei für die Tat verantwortlich wären. Higbald hatte auch mehrere Überfälle in der Umgebung verübt, bei denen er jedesmal Beweisstücke hinterließ, die entweder Cild und seine
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