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Verneig dich vor dem Tod

Verneig dich vor dem Tod

Titel: Verneig dich vor dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Jahreszeit, die ihr vor der Einführung der christlichen Feiertage die Julzeit nanntet, die Toten sich an den Lebenden rächen konnten. Ich meine, daß die Erscheinungen auf diese Zeit abgestimmt waren. Jemand hatte vor, Cild in den Wahnsinn zu treiben.«
    Plötzlich trat eine erwartungsvolle Stille ein.
    Langsam wandte sich Fidelma dorthin, wo Bruder Higbald saß. Er merkte, daß ihr Blick an ihm hängenblieb und ein leichtes Lächeln ihre Mundwinkel umspielte, und er erwiderte ihren Blick mit einem Stirnrunzeln. Bald hüstelte er nervös.
    »Warum starrst du mich so an, Schwester?« fragte er gepreßt.
    »Lioba kam gestern abend in die Abtei, um sich mit jemandem zu treffen«, sagte sie. »Sie wollte sich mit dir treffen, Bruder Higbald.«
    Der Apotheker kniff leicht die Augen zusammen. »Wieso denkst du das?«
    »Das denke ich nicht, Higbald. Ich weiß es. Du kanntest Lioba gut …«
    »Das taten viele Leute«, entgegnete der Apotheker heftig.»Viele kannten sie sehr gut. Sie verkaufte ihren Körper für jeden Preis …«
    Für einen Mann seines Umfangs und mit seiner Sehbehinderung bewegte sich Bruder Willibrod mit einer Schnelligkeit, die die meisten überraschte. Eadulf schaffte es, sich dazwischenzuwerfen, bevor der
dominus
den Apotheker erreichte. Er packte ihn mit festem Griff an einem Arm und schob ihn auf seinen Platz zurück.
    »Beherrsche dich, Willibrod«, zischte er ihn an. »Unser Ziel ist es, die Wahrheit zu ergründen, auch wenn sie uns nicht gefällt. Setz dich und verhalte dich ruhig, sonst wirst du von dieser Verhandlung ausgeschlossen.«
    Als die Ordnung wiederhergestellt war, nahm Fidelma erneut das Wort: »Lioba mag wohl ihren Körper verkauft haben, aber nicht an dich, Higbald. Zu dir hatte sie anscheinend eine besondere Beziehung. Wie kam das?«
    Der Apotheker zuckte mit gespielter Gleichgültigkeit die Achseln. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Dann will ich es dir sagen. Du hast Eadulf und mich überredet, aus der Abtei zu fliehen, indem du uns erklärtest, eine Kriegerschar wäre im Anmarsch auf die Abtei. Das stimmte nicht. Lioba und ein Trupp Krieger warteten an der Stelle, an der wir, wie sie glaubten, aus dem Geheimgang auftauchen würden. Du hattest es uns beschrieben. Nur weil Eadulf sich irrte, kamen wir an anderer Stelle heraus.«
    Higbald antwortete nicht, sondern sah sie finster an.
    »Zudem war Lioba unter den Kriegern, mit denen du dich neulich nachts mit Cild und Willibrod treffen wolltest. Cild hatte den vereinbarten Ort aber schon früher verlassen. Dort hast du auch die Verabredung mit Lioba für gestern abend in der Abtei abgesprochen.«
    Sigeric beugte sich in seinem Sessel vor. »Das mußt du mir erklären, Fidelma, denn das geht weit über mein Verständnis hinaus. Ich kann dir nicht mehr folgen.«
    »Das werde ich jetzt ganz genau erklären«, versicherte ihm Fidelma.
    In diesem Augenblick flog die Tür der Kapelle krachend auf, und einer der Mönche der Abtei kam atemlos hereingestürzt. Er rang die Hände so sehr, daß es fast komisch wirkte.
    »Der Abt! Der Abt ist aus seinem Zimmer geflohen!«

KAPITEL 19
    Sigeric bemühte sich, in dem Tumult, der auf diese Nachricht folgte, Ordnung zu schaffen, doch das Chaos verschlimmerte sich noch, als Garb von seinem Platz aufsprang und schrie: »Das Biest will fliehen! Aber so leicht entkommt er seiner Verantwortung nicht!« Mit mehreren seiner Krieger stürmte er aus der Kapelle und ließ Sigerics Rufe, er solle dableiben, unbeachtet. Hinter ihm liefen Mönche und Krieger aufgeregt durcheinander.
    Eadulf spürte, wie verärgert Fidelma war. Sie konnte ihren Zorn über diese Wendung der Dinge kaum verbergen. Die Versammlung geriet gänzlich außer Kontrolle. Sigeric gab seine Bemühungen auf. Gefolgt von Fidelma und Eadulf, eilte er zu dem Mönch, der an der Tür der Kapelle stand.
    »Was ist passiert?« rief ihn Sigeric laut an und versuchte sich durch den Lärm Gehör zu verschaffen. Der Mönch flatterte hilflos mit den Händen.
    »Es ist nicht meine Schuld, Lord …«
    »Was ist geschehen?« donnerte Sigeric mit einer Stimme, die ringsum widerhallte.
    »Ich wurde überlistet«, beklagte sich der Mönch in jammerndem Ton. »Ich dachte, Abt Cild wäre eingeschlafen, und nutzte die Gelegenheit, zum
defaecatorium
zu gehen, aber als ich zurückkam, war er fort. Ich rannte zum Tor und sah ihn auf der Straße wegreiten.«
    »Bei Thunors Wunden!« rief Sigeric. »Jetzt wird er schon ein ganzes Stück weit sein. In welche

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