Verneig dich vor dem Tod
er zu den Mönchen hinüber, die immer noch gegen die Tür der Kapelle trommelten. »Hört auf mit dem Unsinn!« brüllte er.
Wie erschrockene Kinder drehten sie sich um und standen mit hängenden Köpfen vor dem Abt.
Cild wandte sich an Bruder Willibrod. »Lauf mit einem der Brüder durch den unterirdischen Gang unter der Kapelle und mach die Tür auf. Ich schätze, die Halunken sind schon lange fort. Es ging ihnen nur darum, uns aufzuhalten, während sie flüchteten.«
Es schien eine ganze Weile zu dauern, bis die Tür der Kapelle geöffnet wurde, obgleich es in Wirklichkeit wohl nur zehn Minuten waren.
»Wo ist Bruder Willibrod?« fragte der Abt und schritt zur Tür. Eadulf bemerkte, daß es nicht mehr schneite und auch der Wind, obwohl noch fühlbar, schwächer wehte.
»Er wollte nachsehen, wie sie in die Abtei gelangen konnten«,sagte der Bruder, der die Tür aufgemacht hatte, und trat vor dem Abt zurück.
In dem Moment eilte Bruder Willibrod herbei.
»Sie sind über die Mauer gekommen«, berichtete er atemlos. »Ich sah die Spuren im Schnee. Drei von ihnen müssen mit Wurfhaken und Seil hereingeklettert sein. Draußen fand ich Abdrücke von sechs Pferden, also müssen drei andere draußen gewartet haben.«
Abt Cild rieb sich das Kinn in düsterem Nachdenken. »Hast du festgestellt, wo die Spuren herkamen oder wohin sie führten?«
»Der Wind hat sie rasch verweht. Der Schnee ist pulverig und trocken.«
Abt Cild ärgerte sich sichtlich. »Das ist auch gleichgültig. Ich gehe jetzt in mein Zimmer. Du kannst die Beisetzung zu Ende führen, ich habe viel zu tun. Morgen werden wir mit diesen Schurken abrechnen.«
Bruder Willibrod blickte dem sich entfernenden Abt unglücklich nach, sein eines Auge blinzelte heftig. Dann merkte er, daß Eadulf ihn beobachtete, und zuckte die Achseln.
»Manchmal«, gestand er ihm, »wünschte ich, ich hätte den Mut, nach Blecci’s Hill zurückzukehren.«
»Blecci’s Hill?« fragte Eadulf. »Das liegt doch am Ufer der Ouse, nicht wahr?«
»Kennst du es?«
»Das ist gleich hinter der Grenze im Königreich Mercia. Vor vielen Jahren fand dort eine Schlacht statt.«
Willibrod lächelte, erfreut darüber, daß Eadulf etwas von der Geschichte wußte.
»Das war, noch bevor ich geboren wurde. Die Northumbrierwaren in unser Gebiet eingefallen.« Er seufzte tief und kam dann in die Gegenwart zurück. »Eines Tages kehre ich dahin heim, so Gott will, und richte mir eine kleine Einsiedelei in Blecci’s Hill ein. Aber jetzt …« Er rief ein paar Brüder zu sich.
»Läutet noch einmal die Sterbeglocke. Wir lassen das Andenken an unseren Bruder Botulf nicht dadurch beschmutzen, daß dieser Zwischenfall den Ernst der Feier gestört hat. So Gott will, werden wir diese Beleidigung morgen rächen.«
Eadulf erwachte einige Zeit vor dem Morgengrauen. Es war noch kalt, wenn auch im Kamin ein paar Stücke aschebedeckte Glut glimmten. Im Zimmer herrschte, durch den weißen Widerschein des Schnees draußen, ein eigenartiges graues Zwielicht.
Er stand auf, ging zitternd vor Kälte rasch zum Feuer und warf trockene Zweige auf die Glut. Erst als sie Feuer gefangen hatten, legte er dickere Holzstücke nach. Nach wenigen Augenblicken loderte das Feuer heller auf. Trotzdem mußte er noch in die Hände hauchen und mit den Füßen stampfen, um seinen Kreislauf wieder in Bewegung zu bringen.
Er machte nur oberflächlich Toilette. Er wusch sich Gesicht und Hände in einer Schüssel mit kaltem Wasser, an deren Rand sich Eis gebildet hatte. Dann rieb er sich kräftig trocken, zog seine Kutte an und ging leise ins Nebenzimmer.
Als er nach der Beisetzung Bruder Botulfs auf dem kleinen Klosterfriedhof an der Kapellenmauer lange nach Mitternacht zurückgekehrt war, wollte er Fidelma von denseltsamen irischen Besuchern und ihren Forderungen an Abt Cild berichten. Doch Fidelma schlief fest, zitterte leicht, aber schwitzte stark und warf sich unruhig hin und her. Er hatte sie nicht geweckt, denn er merkte, daß sie an einer schweren Erkältung litt. Ihr Atem ging hart und rasselnd.
Als er jetzt leise eintrat, lag sie noch im Bett. Sie hielt die Augen geschlossen, doch von Zeit zu Zeit hustete sie jämmerlich, und ihre Nase war vom Niesen gerötet. Er ging zuerst zum Feuer und brachte es in Gang, dann setzte er Wasser auf.
»Ich fühl mich elend«, krächzte hinter ihm eine Stimme, die mit Fidelmas normaler kaum Ähnlichkeit besaß.
Eadulf wandte sich um und lächelte sie mitfühlend an.
»Du
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