Verneig dich vor dem Tod
des Königs.«
Eadulf nickte leicht. Das stimmte mit dem überein, was Aldhere ihm erzählt hatte.
»Aber du mußt doch festgestellt haben, daß sich Botulf als ein nützliches Glied der Gemeinschaft erwies, denn du behieltest ihn als Verwalter der Abtei?«
»Er war gut zu gebrauchen«, gestand Cild widerwillig.
»Also wurde mein Freund Botulf, der vor Jahren Aldred geholfen hat, diese Abtei zu gründen, hierher zurückgeschickt, um dir als dem neuen Abt zu dienen?«
Abt Cild verzog nachdenklich den Mund. »Botulf gehörte zu Aldreds erster Gemeinschaft hier. Doch dann wurde er als Prediger in den westlichen Teil des Königreichs entsandt. Dort geriet er an den Mann, der später zum Feigling und zum Verräter am König wurde …«
»Aldhere?« Die Frage kam blitzschnell und überrumpelte Cild.
»Woher weißt du das? Von Botulf?«
»Nein. Ich bin deinem Bruder heute vormittag zufällig begegnet.«
Es trat ein Schweigen ein, in dem Abt Cild diese Neuigkeit verdaute.
»Du versuchst mit mir zu spielen, Bruder Eadulf«, sagte er ruhig. »Und welche Lügen hat dir mein jüngerer Bruder aufgetischt?«
»Sollte er mir Lügen vorsetzen?«
»Er hat dir sicherlich erklären wollen, weshalb er außerhalb des Gesetzes steht.«
»Er behauptete, er trage keine Schuld an der Ermordung Botulfs, für die du, wie ich mich erinnere, ihn unbedingt hängen wolltest, wenn du ihn heute gefangen hättest. Es war, glaube ich, Aristoteles, der schrieb, daß Zwist unter Brüdern bitter und grausam ist. Hätte Aldhere mit dir dasselbe getan, frage ich mich?«
Cild starrte ihn wütend an. »Er hat mir Schlimmeres angetan, als er mich mit List und Tücke meines Erbes beraubte.«
»War das nicht die Entscheidung deines Vaters?«
»Mein Vater war schon alt und schwachsinnig und ließ sich von Aldhere beeinflussen.«
»Aber du tratest in die Kirche ein. Damit war der Streit doch sicher vorbei?«
»Ich habe Aldhere nicht zum Verräter und Feigling gemacht. Kurz nach meiner Rückkehr hierher wurde Aldhere vom König geächtet. Ich habe nur versucht, zurückzubekommen, was mir von Rechts wegen zustand.«
»Doch König Ealdwulf stimmte dem nicht zu?«
»Er stimmte im Grundsatz zu, aber nicht in der Praxis, denn er entschied, daß es künftig keinen Than von Bretta’s Ham mehr geben solle.«
»Haßt du deinen Bruder so sehr, daß du selbst seinen Tod herbeiführen würdest? Das paßt kaum zu dem geistlichen Gewand, das du trägst.«
»Wo steht denn geschrieben, daß ich mich der Rache enthalten muß?
›Lobet den Herrn, der zu Zion wohnt;
verkündiget unter den Völkern sein Tun!
Denn der Rächer des Blutes erinnert sich …‹«
Eadulf unterbrach das Zitat des Abts mit einer schroffen Geste.
»Ich hätte gedacht, du würdest dich eher an die Geschichte Kains erinnern. Kain erschlug seinen Bruder Abel, und als Gott das Urteil über ihn fällte, da erwartete Kain, daß sein Leben aus Rache verwirkt wäre. Doch Gott sprach zu ihm: ›Nein; sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden.‹ Gott machte nur ein Zeichen an Kain, daß niemand ihn erschlüge, der ihn fände. Denn Rache erzeugt neue Rache.«
Cild lächelte dünn. »Bruder Eadulf, ich würde dir raten, nicht nur das Erste Buch Mose zu lesen, sondern auch das Zweite: ›Seele um Seele, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brand um Brand …‹«
»Ich kenne den Text, Abt, aber Blut kann nicht durch Blut abgewaschen werden. Rache zerstört sich selbst.«
»Soll ich das so verstehen, Bruder Eadulf, daß du dich weigerst, den Worten der Schrift zu gehorchen?«
»Sind sie denn dazu da, daß man ihnen gehorcht, ohne Fragen zu stellen?«
»Es sind die Worte heiliger Menschen, ihnen von Gott eingegeben.«
»Es sind die Worte von Menschen, die sie zum Gehorsam der Toren und der Anleitung der Weisen niedergeschrieben haben.«
»Jetzt verstehe ich, daß du in Begleitung einer Hexe reist. Du besitzt keine Religion!« fauchte der Abt.
Die kalte Unlogik dieses Mannes verschlug Eadulf die Sprache. Er fand schließlich wieder Worte, aber er begriff, daß Abt Cild engstirnig und völlig in sich befangen war. Er war auf den Hauptgrund seines Streits mit dem Abt zurückverwiesen.
»Wie kannst du glauben, daß Schwester Fidelma dessen fähig ist, das du ihr vorwirfst?« fragte er ruhig, merkte aber zugleich, daß dies ein schwaches Argument war.
»Ich habe dir meine Gründe genannt. Sie liegen klar auf der Hand. Anscheinend kannst du wegen
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