Verneig dich vor dem Tod
ihrer Zimmertür ab.«
Eadulfs bestimmtes Auftreten schien Abt Cild zu verblüffen. Er war es überhaupt nicht gewohnt, daß jemand seine Befehlsgewalt in Frage stellte.
Eadulf fuhr unbeeindruckt fort: »Außerdem reinige ihren Namen vom Stigma der schwarzen Magie und des üblen Zaubers. Daß ein Mann, der intelligent genug ist, das Amt des Abts dieses Hauses zu beanspruchen, solchem Gerede von Hexerei Glauben schenkt, ist unerhört.«
Abt Cild schnellte von seinem Stuhl hoch.
»Das werde ich nicht tun! Ich bin hier der Abt und nicht du, und Erzbischof Theodor soll doch selbst herkommen, wenn er meine Eignung anzweifelt.«
Eadulf hatte auch nicht erwartet, daß er mit seiner Forderung sofort und ohne weiteres durchdringen werde.
»Es ist gut möglich, daß er das tut, denn ihm sind viele Dinge über dieses Haus zu Ohren gekommen.« Eadulf wußte, wieviel er wagte, indem er so weit über die Tatsachen hinausging.
Abt Cild kniff die Augen zusammen.
»Erkläre mir, was du damit meinst«, forderte er.
»Das werde ich tun. Aber erst ein paar Fragen. Warum hast du solche Angst vor dieser angeblichen Erscheinung?«
Die Frage kam unerwartet, Cild stutzte und setzte sich abrupt wieder hin.
»Wie … Wie kommst du darauf, daß ich Angst habe?«
Eadulf lächelte nur. »Ich sah gestern abend eine Dame nahe der Kapelle. Du bekamst Angst, als ich sie beschrieb. Heute sah Bruder Redwald dieselbe Frau in Schwester Fidelmas Zimmer. Bruder Redwald behauptet, es wäre deine Frau, die als tot gilt. Ist sie wirklich tot?«
Abt Cilds Miene wurde zornig. »Wagst du es, mich einen Lügner zu nennen?«
»Ich stelle nur eine Frage.«
»Sie ist tot. Und nur eine Person, die schwarze Künste ausübt, konnte ihr Bild heraufbeschwören. Nichts dergleichen geschah, bis du mit der fremden Frau hierherkamst.«
»Aber ich habe gehört, daß diese Erscheinung auch gesehen wurde, bevor wir die Abtei betraten«, protestierte Eadulf.
»Der Geist erschien, sobald ihr in dieses Königreich kamt. Die Hexerei der Ausländerin muß so mächtig sein, daß sie den Geist schon aus der Ferne beschwören konnte«, erwiderte Cild ungerührt. »Ihr habt euch hier den Zutritt erzwungen und Gastfreundschaft verlangt. Ich hätte euch beide sofort hinauswerfen sollen. Ich gab nach und ließ euch bleiben. Sofort tauchte der Geist auf. Ich habe auch nicht vergessen, daß gleich auf euer Erscheinen der Auftritt Garbs und seiner Leute folgte, der die gräßlichsten Beschuldigungen gegen mich erhebt. Ich übersehe weiterhin nicht die Tatsache, daß Garb und deine Gefährtin aus demselben Land stammen. Vielleicht sind sie verwandt und miteinander verschworen? Ich bin ein logisch denkender Mensch. Es war eure Ankunft, die all dieses Übel in Aldreds Abtei brachte. Hier ist nichts Böses geschehen bis gestern abend, als ihr beide die Gastfreundschaft der Abtei beanspruchtet.«
Eadulf hatte ihn ruhig angehört. Nun lächelte er traurig.
»Das stimmt doch nicht, Cild. Gestern früh wurde mein guter Freund Botulf ermordet. Wir sind auf seinen Wunsch hin hergekommen – nur eben zu spät!«
Eadulf sah keinen Grund, diese Tatsache noch länger zu verschweigen. Er meinte, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, sie zu verwenden, und er behielt recht, denn Cild schwieg eine Weile und bemühte sich vergeblich, eine undurchdringliche Miene aufzusetzen.
»Warum hat Botulf euch hergebeten?«
Eadulf lächelte wissend. Jetzt konnte er Gedankenspiele mit dem Abt treiben.
»Wußte jemand in der Abtei, daß er eine Botschaft nach Canterbury geschickt hatte, um mich hierher zu rufen?« Eadulf stellte die Frage nachdenklich.
»Ich wußte es jedenfalls nicht.« Aus Abt Cilds Stimme war unterdrückter Zorn herauszuhören.
»Wie ich merke, wart ihr, Botulf und du, nicht so eng miteinander verbunden, wie du es bei seiner Beisetzung glauben machtest. Welcher Art war die Feindschaft, die zwischen euch bestand?«
»Hat dir Botulf erklärt, daß Feindschaft zwischen uns herrschte?« wollte der Abt wissen.
»Bestreitest du es?« konterte Eadulf.
»Nein. Ich weise dich darauf hin, daß mir dein Freund Botulf von König Ealdwulf aufgezwungen wurde. Wenn du die Wahrheit wissen willst, Botulf versuchte, einen Verräter und Feigling zu verteidigen, und deshalb befahl der König, er habe in dieser Gemeinschaft zu bleiben und sich nicht weiter als eine Meile von ihr zu entfernen, bis er sein Verbrechen gesühnt hätte. Mir gefiel dieses Verfahren nicht, aber ich befolgte die Anweisung
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