Verplant verliebt
geblieben? Er schien nicht im Geringsten überrascht zu sein, sie hier zu sehen.
Langsam fielen die Puzzleteile an ihren Platz: Gregors Kommentar von heute Morgen, sie habe sich Arbeit mit nach Hause genommen. Sandras Bemerkung, sie habe den Neuen schon am Samstag nett gefunden. Karlos Zwinkern ... Sie alle hatten gewusst, dass Karlo ein neuer Kollege war! Warum sie selbst nicht? Hatte Gregor sie etwa absichtlich im Unklaren gelassen? Erst am Samstag hatte Marie ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nie etwas mit einem Kollegen anfangen würde. Vielleicht war Gregors Schweigen seine Rache für die Körbe, die er ständig von ihr bekam. Und Karlo war sich nicht zu schade, dabei mitzumachen! Marie wurde schlecht. Vielleicht war sie seine persönliche Trophäe – schon vor dem Arbeitsstart die erste Kollegin flachgelegt. Und Paula? Die hatte Marie ausgerechnet an dem Abend überzeugt, sich endlich mal auf einen One-Night-Stand einzulassen. Hatte sich denn die ganze Welt gegen sie verschworen?
Marie wollte nicht ungerecht sein. Sie wusste, dass Paula nichts für dieses Desaster konnte. Sie holte tief Luft und tippte in ihr Handy: „Hi Paula, Super-Gau mit Karlo. Muss dringend kochen! Heute Abend bei mir? M.“
Marie blickte auf und sah, wie Albert Sandra den Nacken massierte, während sie gemeinsam auf ihren Bildschirm schauten. Würg! Genau das hatte ihr jetzt gefehlt. Konnten die das nicht zu Hause machen, hinter verschlossener Tür, wo derartige Vertrautheiten hingehörten?
Marie fuhr ihren Rechner hoch, öffnete ihr E-Mail-Programm und versuchte, die ungelesenen Mails abzuarbeiten. Doch als sie merkte, dass sie denselben Satz zum fünften Mal las, gab sie auf. Wenn sie diese beiden Mistkerle in die Finger bekam, würde sie ... Ja, was eigentlich? Sie konnte sie ja schlecht vor versammelter Mannschaft zur Schnecke machen. Zur Chefin rennen ging auch nicht. „Entschuldigen Sie, Frau König, aber der Neue hat mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verführt.“ Wohl kaum.
Sie brauchte erst einmal eine Kaffeepause. Marie machte sich auf den Weg zum Aufenthaltsraum. Der geschäftsmäßig graue Teppich im Flur und die sterilen Wände erinnerten sie daran, wo sie war und dass sie ihre Arbeit nie mit ihren privaten Gefühlen hatte vermischen wollen.
Plötzlich bog Karlo um die Ecke. Allein. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, der so perfekt saß, dass Marie sich fragte, ob er wohl maßgeschneidert war. Seine Krawatte hatte er inzwischen abgenommen. Als er sie erblickte, lächelte er und ihre Wut kehrte mit voller Wucht zurück. Wie konnte er es wagen zu lächeln? Machte er sich über sie lustig? Sicher dachte er: „Naive Marie, wie leicht hinters Licht zu führen.“ Sie musste das klären – sofort! Sie beschleunigte ihren Schritt und als sie ihn erreicht hatte, zeigte sie auf den Druckerraum rechts vom Gang: „Da rein!“ Karlo schaute sie fragend an. Marie griff ungeduldig nach seinem Arm, zog ihn in den Raum und stieß die Tür mit ihrem Fuß hinter sich zu.
Karlo kniff die Augen zusammen, bis sie sich an das grelle Neonlicht gewöhnt hatten. Er fand sich in einem Kabuff wieder, zwischen Marie und einem Kopierer eingepfercht. Dieser Raum war eindeutig zu klein für sie beide. Marie schaute zu ihm auf und funkelte ihn wütend an. Einzelne Haarsträhnen hatten sich aus ihrem Zopf gelöst. Sie stemmte ihre Fäuste in die Hüften: „Und, bist du stolz?“
„Stolz?“ Er konnte sich denken, warum sie wütend war, aber worauf genau sollte er stolz sein?
„Noch bevor du deinen Job angetreten hast, schon die erste Kollegin abgeschleppt.“
„Als hätte ich es darauf angelegt“, erwiderte Karlo spöttisch. Er konnte nicht fassen, mit welch hanebüchenem Vorwurf sie ihn konfrontierte. Aber eigentlich hätte er es besser wissen müssen, denn hier war er, der Klassiker: Erst waren sich beide einig, dass es einfach nur um Sex ging, dann kamen die Vorwürfe und es wurde doch kompliziert. Ihm war klar, dass sie ihre gemeinsame Nacht besprechen mussten, aber war eine solche Szene wirklich nötig?
Marie zielte mit dem Finger auf seine Brust. „Sicher hast du es darauf angelegt.“
Das war ja wohl die Höhe! Karlo dachte an die Meerjungfrau, die ihm mal schüchtern, mal offensiv zu verstehen gegeben hatte, was sie wollte. Jetzt hatte sich die Meerjungfrau in eine Furie verwandelt. Ihre grünen Augen blitzten und aus ihrer Stimme war jegliche Unsicherheit verschwunden. Das gleiche galt wohl für ihre
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