Verplant verliebt
Und wer bitteschön stellte ein Foto seiner Katze auf den Schreibtisch?
Mit festem Schritt ging er zu seinem Drehstuhl, setzte sich und schaltete den Rechner ein. Als Marie schlagartig mit dem Tippen aufhörte und leise stöhnte, wusste Karlo, dass sie ihn entdeckt hatte. Er hielt seinen Blick weiter stur auf den Bildschirm gerichtet, während sich die Programme öffneten, und dachte: „Du machst deins, ich mach meins.“
6
Marie atmete auf. Die letzten beiden Stunden hatte sie damit verbracht, ihren Projektabschlussbericht zu finalisieren. Sie hatte jeden Satz dreimal begonnen, weil sie sich einfach nicht konzentrieren konnte. Stattdessen war sie damit beschäftigt, Karlo bloß nicht anzusehen. Gar nicht so leicht, wo es schon reichen würde, über ihren Bildschirm zu schauen.
Karlos Stimme konnte sie leider nicht ausknipsen. In regelmäßigen Abständen bat er einen der Kollegen – niemals sie – um Hilfe bei diesem Programm oder jenem Formular. Zwischendurch telefonierte er mit Christian vom Support, weil sein Zugangscode für den Mailserver nicht funktionierte. Marie wünschte sich eine Fernbedienung, mit der sie Karlo stumm schalten konnte. Sie musste sich beherrschen, nicht allzu grimmig auf ihre Tasten einzuhauen. Es war sicher schon auffällig genug, dass sie Karlo keine Hilfe anbot.
Gerade als Marie den Bericht zur Freigabe an die Königin schicken wollte, trat diese an ihren Schreibtisch. „Frau Rebmann, Herr Winterfeld, darf ich Sie einen Moment in mein Büro bitten? Ich hätte etwas mit Ihnen zu besprechen.“
Marie versteifte sich und blickte verunsichert zu Karlo. Wusste die Königin über sie beide Bescheid? Sie verwarf den Gedanken rasch wieder. Woher sollte sie davon wissen? Auch Karlo schaute irritiert, stand aber auf und folgte der Königin. Marie schloss sich an.
Sobald Karlo und Marie im Glaskasten angekommen waren, wies die Königin auf die beiden Metallstühle vor ihrem Schreibtisch. Sie selbst schritt langsam um den mahagonifarbenen Tisch herum, wobei ihr graumeliertes, zu einem perfekten Bob geschnittenes Haar leicht wippte. Dann stellte sie sich vor ihren Lederstuhl, der mit seiner hohen Rückenlehne einem Thron ähnelte, und strich ihren schwarzen Kostümrock glatt. Endlich setzte sie sich und sah die beiden lächelnd an. Marie atmete erleichtert auf.
„Frau Rebmann, Herr Winterfeld – ich verspreche Ihnen, die nächsten beiden Wochen werden spannend für Sie beide.“
Spannend? Danke, aber das war nicht nötig. An Spannung mangelte es ihr gerade wirklich nicht.
Die Königin fuhr fort: „Frau Rebmann, Sie waren vorhin bei der Vorstellungsrunde von Herrn Winterfeld nicht dabei. Deshalb möchte ich Ihnen noch kurz zwei, drei Sätze dazu sagen, warum Herr Winterfeld ein solcher Glücksfall für uns ist. In seiner vorherigen Position trug er die Verantwortung für sehr exklusives Klientel aus alteingesessenen hanseatischen Handelsunternehmen. Er hat dabei hervorragende Akquisearbeit geleistet und ...“
Marie schaltete ab und beendete den Satz in Gedanken selbst: „... sich stets besonders rührend um die weiblichen Geschäftspartner und Gattinnen der Pfeffersäcke bemüht.“
Marie konzentrierte sich wieder auf die Lobeshymne ihrer Chefin. „Deshalb sind wir sehr froh, einen so erfahrenen Consultant für JCN gewonnen zu haben. Dadurch können wir hoffentlich einen ähnlich exklusiven Kundenkreis für uns erschließen.“
Marie musste an sich halten, um nicht die Augen zu verdrehen. Was für eine Lobhudelei. Als hätte Karlo dankenswerterweise die Bewerbung von JCN akzeptiert und nicht andersherum.
Die Königin wandte sich Karlo zu. „Herr Winterfeld, möchten Sie noch etwas hinzufügen?“
„Vielen Dank, Frau König, für die schmeichelnden Worte. Vielleicht kurz noch etwas zu meiner Person: Ich bin ein waschechter Hamburger und eben erst ins Schwabenland gezogen. Auf die neuen beruflichen Herausforderungen hier bei JCN freue ich mich sehr und natürlich auch auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, Frau Rebmann, und den anderen Kollegen. Schade nur, dass ich hier keine Gelegenheit zum Segeln haben werde.“ Mit einem Grinsen fügte er an Marie gewandt hinzu: „Ich bin nämlich ein leidenschaftlicher Matrose.“
Wie unverschämt kann man eigentlich sein, dachte Marie, während sie keine Miene verzog.
Die Königin ergriff wieder das Wort: „Danke, Herr Winterfeld. Zum Hintergrund von Frau Rebmann: Sie ist eine sehr wertvolle Mitarbeiterin für uns, denn sie kennt JCN
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