Verplant verliebt
Wie war doch gleich der Name?“
Marie schaute sie irritiert an und nickte. „Hexenhäusle.“
Die Chefin lächelte. „Wie passend. Hat Ihre Mutter etwa auch rote Haare?“
Marie nickte erneut. Sie wusste nicht, worauf die Königin hinauswollte.
„Weshalb ich frage: Wir wollen übernächstes Wochenende unseren Teamausflug machen und ich dachte mir, ich lade sie in diesem Jahr einfach alle auf unser Weingut in Ellhofen ein.“
„Sie haben ein Weingut in Ellhofen?“
„Ja, mein Mann hat es vor einigen Jahren geerbt und wir richten das Haus gerade wieder her. Leider dauert der Umbau doch länger als gedacht. Wir können Sie alle zwar tagsüber beherbergen und unser Programm dort veranstalten, aber für die Übernachtung sind noch nicht genügend Zimmer fertig. Da dachte ich an die Pension Ihrer Mutter im Nachbarort.“
Marie wurde flau im Magen: Ihre Familie in Kombination mit ihren Kollegen und – noch viel schlimmer – mit Karlo. Ein solches Zusammentreffen durfte es unter keinen Umständen geben.
Marie sah nur einen Ausweg: „Ich glaube nicht, dass meine Eltern kurzfristig noch so viele Zimmer frei haben. Es ist Hochsaison und da sind sicher viele Erntehelfer bei uns.“
„Ich weiß, aber ich dachte bis vor ein paar Tagen noch, wir würden die Zimmer rechtzeitig fertig bekommen. Meinen Sie nicht, dass wir zumindest einige der Kollegen bei Ihren Eltern unterbringen können? Wenn Sie mir freundlicherweise die Nummer nennen, rufe ich Ihre Mutter direkt an.“
„Ich kann das gerne übernehmen und gebe Ihnen Bescheid.“ Einen Teufel würde sie tun.
„Machen Sie sich keine Mühe. Ich bin sowieso gerade dabei, das Wochenende zu organisieren.“
Marie wusste, wann sie verloren hatte. Sie schrieb ihrer Chefin die Telefonnummer auf einen Zettel. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass die Pension an dem Wochenende tatsächlich ausgebucht war. Was die Erntehelfer betraf, hatte Marie gelogen. Die kamen in der Regel auf den Weingütern unter und nicht in einer Pension. Meistens waren auch im Sommer noch ein paar der 18 Zimmer frei für kurzfristige Buchungen.
Sie schickte ein stummes Gebet zum Himmel und ging zurück zu ihrem Schreibtisch. Gegenüber saß ein selbstgefällig grinsender Karlo. Wenigstens waren seine Groupies verschwunden. Doch das war nur ein schwacher Trost, wenn sie daran dachte, was in ihrem Leben gerade alles schief lief. Der Horrormontag war in einen Dienstag des Grauens übergegangen. Heute hatte sie den dritten Tag in Folge zu wenig Schlaf und zu viel Restalkohol. Dazu kam eine Horde sich rangelnder Kolleginnen im Kampf um Karlo, dem firmenweiten Objekt der Begierde. Dann noch die Aussicht, diesen ganzen Haufen im Hexenhäusle auf ihre Familie treffen zu lassen. Und zu allem Überfluss hielten ihre Eltern sie und Karlo für ein Paar. Sie musste sich so schnell wie möglich etwas einfallen lassen, um die drohende Katastrophe noch abzuwenden.
Doch zunächst musste sie arbeiten. Einen Tag unproduktiver Grübelei konnte sie sich erlauben, aber keinen zweiten. Marie schaute in ihren Posteingang. Die erste Mail war eine von Liebesbrief.de weitergeleitete Kontaktanfrage. Neugierig klickte Marie auf den Link und die Nachricht von Devot94 öffnete sich:
Hallo Lotte!
Heißes Foto haste da, du siehst dominant aus. Ich biete mich dir als Liebesdiener an. Du darfst mit mir machen was du willst. Interesse?
Dein ergebener Devot94.
Marie unterdrückte ein Würgegefühl. Der Kerl war ein Teenie! In dem Alter hatte sie gerade einmal das Rosa aus ihrem Zimmer entfernt und träumte noch von ihrem ersten richtigen Kuss. Sie drückte ohne Zögern auf die Löschtaste und schüttelte ungläubig den Kopf. Marie hatte zwar damit gerechnet, dass die Selbstbeschreibung von FlotteLotte Männer anzog, die schnell zur Sache kamen. Aber mit einem pubertierenden Masochisten hatte sie nicht gerechnet.
Marie öffnete mutig die zweite Mail. Nur so konnte sie mehr über Onlinedating herausfinden und das war schließlich ihr Job. Dieses Mal schrieb ein 58-jähriger Optiker. Er sei auf der Suche nach einer Gefährtin, die so jung ist, wie er sich fühle. Neben finanzieller Sicherheit könne er eine Menge erotische Ausstrahlung bieten. Marie sandte auch diesen potenten Verehrer in den Orbit und fühlte sich bestätigt. Die Männer im Internet waren nur auf Sex aus. Wie viele von denen suchten online wohl nach einer Gelegenheit, ihre ahnungslose Freundin zu betrügen?
Noch vor wenigen Jahren war sie die
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