Verplant verliebt
Ein alter Nähmaschinentisch aus Gusseisen diente als Ablage für Prospekte über die Region. Gegenüber der Eingangstür stand ein kleiner Tresen mit einer Vase voller Gartenrosen. Dahinter hing ein weißes Holzbord mit Schlüsseln.
Magret zeigte zu einer Tür, die zu einem Nebengebäude führte. „Dort goht's zu de Gästezimmer unsrer Pension.“ Dann wies sie zur Treppe: „Da obe wohne wir.“
Maries Tante betrat den Eingangsbereich. Karlo streckte ihr die Hand entgegen, doch Tante Gisela ignorierte sie, nahm Karlo fest in die Arme und ließ ihn erst los, als Magret sich einmischte: „Nu ischs gut.“
„Aber i hen net so oft die Gelegeheit, an junge Adonis zu umarme. Scho gar net, wenn sei Freundin net da isch. Apropos. Wo isch Sissi eigentlich?“
Karlo sah dasselbe Verhör ein zweites Mal auf sich zukommen und fragte nach dem Weg zur Toilette. Das fing ja gut an. Keine fünf Minuten da und schon flüchtete er.
Als Karlo sich wieder zurückwagte, war Marie gerade eingetroffen. Sie trug ein weißes Leinenkleid und ihre roten Locken fielen ihr ungebändigt über die Schultern. Im Büro waren ihre Haare immer hochgesteckt. Nur einmal hatte er sie mit offenen Haaren gesehen, und genau wie damals verfehlte es auch heute seine Wirkung nicht. Als sich ihre Blicke trafen, schaute Marie verlegen auf den Fußboden.
Die älteren Frauen unterbrachen ihr Gespräch und starrten die beiden an, wohl in freudiger Erwartung, gleich Zeuge einer leidenschaftlichen Begrüßung zu werden. Langsam trat Marie zu ihm und gab ihm einen verhaltenen Kuss auf den Mund.
„Sissi, des kannsch aber besser“, schaltete sich prompt ihre Mutter ein.
„Ja, kann ich, aber wir haben uns doch heute schon gesehen.“
Magret sah Karlo an und es bildete sich eine kleine Falte zwischen ihren Augenbrauen. „I denk du hasch den Morge über Fahrrad g'fahre?“
„Das stimmt, aber wir haben vorher zusammen gefrühstückt“, sagte Karlo.
Marie blickte ihn verwirrt an, merkte aber wohl, dass sie besser den Mund hielt.
„Hach. Ihr frühstückt wohl gern, ihr zwoi. So hen mir dich ja auch kenne glernt. So verliebt die zwoi. So verliebt.“
Karlo nickte nur und machte sich auf einen langen Nachmittag gefasst.
„Naja, so verliebt ist Karlo in letzter Zeit irgendwie nicht mehr. Zu Beginn hat er das Frühstück gemacht, jetzt rührt er keinen Finger mehr.“
Marie fackelte also nicht lange. Nun war es an Karlo, seinen Job zu erledigen: „Ich habe ja wohl genug zu tun. Außerdem bist du die Frau!“
Bevor Marie antworten konnte, schaltete sich Gisela ein: „Ihr junge Mädle heutzutag. Wollet noch die Tür aufghalte habe, rote Rosen nehmet ihr auch gern, aber wenn's um die Hausarbeit goht, da seid ihr auf einmal emanzipiert.“
Karlo verkniff sich ein Schmunzeln. Das war wohl ein glattes Eigentor. Marie entging seine Schadenfreude nicht und sie knuffte ihn mit dem Ellenbogen in die Seite.
„Und treten tut ihr se au no“, zeterte ihre Tante fleißig weiter.
Marie kniff die Lippen zusammen und erwiderte nichts.
Am Kaffeetisch schob Karlo seinen Stuhl betont quietschend nach hinten und setzte sich breitbeinig hin, wie Marie es ihm geheißen hatte. Maries Vater kam hinzu, schüttelte ihm kurz, aber kräftig die Hand und sagte „Grüß Gott“. Ein Mann der wenigen Worte. Das gefiel Karlo. Anders konnte Herr Rebmann in diesem Haushalt wohl auch nicht bestehen. Derweil flatterte Magret um ihn herum. Sie goss Kaffee ein, den Karlo gleich lautstark schlürfte. Dann tat sie ihm ein Stückchen Apfelkuchen auf den Teller, von dem er sich sofort einen Happs in den Mund schob, ohne auf die anderen zu warten. Alles nach Vorschrift. Doch keiner reagierte.
Außer Marie: „Sag mal, kannst du nicht warten, bis wir alle am Tisch sitzen?“
Wieder kam ihm Tante Gisela zuvor: „Der Bub hat Appetit. Des gfällt mir.“
Karlo wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Stattdessen hob er die Tasse an seinen Mund und schlürfte laut.
„Isch der Kaffee zu heiß?“, fragte Magret besorgt.
Karlo suchte nach einer machohaften Antwort, da kam ihm Marie zur Hilfe: „Der schlürft seinen Kaffee immer so.“
Wieder bildete sich diese skeptische Falte zwischen Magrets Augenbrauen. Allerdings war ihr Blick nicht auf ihn, sondern auf Marie gerichtet. „Sag amol, kannscht du ihn au mal selbst rede lasse, anstatt ihn anzumeckern?“
Karlo versuchte sich in einem Rülpser. Der fiel zwar mickriger aus als erhofft, aber er zog trotzdem böse Blicke von Magret
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