Verplant verliebt
nannte, erwachte. Sie verglich die Eigenschaften seiner Traumfrau mit sich selbst. Naja, er beschrieb nicht gerade ihr Ebenbild. Marie konnte nicht singen, hatte kein Pastarezept geerbt und beim Streiten behielt sie doch meist die Kontrolle über sich und nichts ging zu Bruch. Mit einer Ausnahme: Karlo hätte sie bei ihrem Krach im Büro am liebsten den Locher an den Kopf geworfen. Aber der hatte sie auch hinters Licht geführt.
Ole schien aus anderem Holz geschnitzt zu sein als Karlo. Er hatte ihr sehr offen geantwortet und einiges von sich preisgegeben. War sie vielleicht auf eines der wenigen ehrlichen Exemplare im Internet gestoßen? Und noch etwas wunderte Marie: Sie war erstaunt, dass ein Mann so genau wusste, was er wollte, ohne dabei in Allgemeinplätze abzudriften. Seine Vorstellungen waren sehr konkret. Fast schon zu konkret.
Lieber Ole,
auch ich hatte die letzten Tage enorm viel zu tun, wäre also ebenso wenig zum Schreiben gekommen. Umso schöner, jetzt wieder von dir zu hören. Danke für deine überraschende Offenheit. Da stelle ich glatt meinen Soll-Ist-Vergleich hinten an. Was mich viel mehr beschäftigt, ist die Frage, ob deine Vorstellungen nicht von einem ganz konkreten Menschen beeinflusst werden, der dir mal sehr wichtig war. Ich mag mich irren, aber deine Antwort klingt viel zu konkret, um von einer Fantasieperson zu handeln. Wenn ich richtig liege: Warum ist diese Person nicht mehr bei dir?
Zauberhafte Grüße,
Witchcraft
Karlo rieb sich mit seinem grauen Jogging-Pullover das Gesicht trocken, was nichts half, weil auch der Pulli komplett durchnässt war. Er hatte keinen Schlüssel mitgenommen und klingelte.
Gregor öffnete ihm kopfschüttelnd die Tür. „Ich verstehe euch Norddeutsche nicht. Wer geht denn bei diesem Wetter freiwillig joggen?“
„Ihr seid total verweichlicht hier unten. Das bisschen Regen.“
Karlo verschwieg, dass er nach der Hälfte des Weges beschlossen hatte, nur die kleine Runde zu laufen. Seine Schuhe machten Schmatzgeräusche, als er den Flur entlangging. Das war das Herrliche an einer Männer-WG: Keiner meckerte über die Fußabdrücke auf dem Parkett.
Eine viertel Stunde später setzte sich Karlo frisch geduscht an den PC. Er loggte sich als OléOle ein, um zu sehen, ob diese neurotische Planermaus schon geantwortet hatte. Sein vollständiger Name hatte ihn zu seinem Pseudonym inspiriert: Karl-Ole. Seine Mutter hatte auf einem schönen norddeutschen Namen bestanden, sein Vater auf der Familientradition. Seit vier Generationen hießen alle erstgeborenen männlichen Winterfelds Karl. Als Kompromiss hatten sich seine Eltern schließlich auf Karl-Ole geeinigt. Seine Schulfreunde aber scherten sich einen Dreck um die Winterfeld'sche Tradition und hatten aus dem umständlichen Karl-Ole bald einen Karlo gemacht. Ihm selbst gefiel das und er gewöhnte sich so schnell daran, dass er sich von da an immer als Karlo Winterfeld vorstellte. Inzwischen war Karlo für ihn sein richtiger Name. Nur seine Eltern blieben hartnäckig: Seine Mutter rief ihn Ole, sein Vater Karl. Momentan nannte ihn allerdings keiner von beiden bei irgendeinem Namen. Dafür müsste man miteinander reden, was sie seit zwei Jahren kaum taten.
Witchcraft hatte geschrieben. Karlo las ihre Mail und schluckte. Er fühlte sich ertappt und grübelte, ob Tiziana sich wirklich so auffällig in seine Beschreibung geschlichen hatte oder ob die Hexe nur über eine gute Intuition verfügte. Er las seine Antwort noch einmal und musste zugeben, dass er in seinem Eifer ein wenig zu dick aufgetragen hatte. Er erinnerte sich wieder daran, wie Tiziana sich eines Abends in den Straßen von Florenz zu den Gitarrenklängen eines Straßenmusikers an ihn gekuschelt hatte. Dann hatte sie sich neben den Gitarristen gestellt und ihn mit ihrer vollen Stimme begleitet. Der Abend endete mit einem Vino in ihrer Lieblingspizzeria, zu dem sie den mittellosen Musiker einluden. Tiziana hatte immer schnell Freunde gefunden. Auch die Pastageschichte war eindeutig seiner Frau zuzuordnen. Wie er ihr Essen geliebt hatte! Ihre Kochkünste gehörten zu ihr und nun auch zu dem Bild, das er von seiner Traumfrau hatte.
Die Hexe hatte recht. Es war einfach zu erraten gewesen, dass dieses Idealbild nicht seiner Vorstellung entsprungen war, sondern der Realität. Aber selbst wenn er versuchen würde, die Beschreibung seiner Traumfrau neutraler zu formulieren, würde er dennoch immer wieder bei Tiziana landen. Warum sie nicht mehr bei
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