Verplant verliebt
etwas anderes einfallen lassen müssen.“
Karlo nickte. Die Aussicht auf „Friede, Freude, Apfelkuchen“ klang sehr verlockend.
Karlo strich sich über den Bauch und lehnte sich zurück. Nach dem Kaffeetrinken hatten weder er noch Marie Anstalten gemacht, zurück nach Stuttgart zu fahren. Stattdessen tischte Magret, kaum dass die Kaffeetafel abgedeckt war, Vesper auf, mit frisch gebackenem Krustenbrot, Salami vom Bauern um die Ecke und lokalem Wein. Vor der Heimfahrt mit dem Rad müsse er schließlich ordentlich essen, nicht nur Süßkram. Dem konnte Karlo nur zustimmen.
Karlo fühlte sich inmitten des Trubels wohl. Magret umsorgte die ganze Sippe und nahm reihum ihre Familienmitglieder in den Arm, auch ihn. Alle am Tisch schnatterten wild durcheinander und lachten laut. Die drei Flaschen Trollinger, die sie geleert hatten, waren daran sicher nicht ganz unschuldig. Nur Marie und er hatten es jeder bei einem Weinglas belassen. Karlo hielt nichts davon, wenn andere Radsportler die Promillegrenze überschritten, nur weil sie nicht Auto fuhren. Dafür griff er umso beherzter bei der Salami zu.
Während Karlo kaute, fiel sein Blick auf Maries Schwester Anja, die Marie von den neuesten Abenteuern ihrer Söhne erzählte. Dabei tanzten die kinnlangen roten Locken im Takt ihrer Worte. Magret hatte ihren Plan, ihn subtil an Kinder zu gewöhnen, schnurstracks in die Tat umgesetzt und ihre zweite Tochter samt Mann und beiden Jungs zum Abendbrot eingeladen. Es war sicher kein Zufall, dass Max neben Karlo saß. Sie kannten sich bereits von ihrer Begegnung in Stuttgart. Karlo wusste nicht recht, ob sich der Lütte mit seiner hartnäckigen Anhänglichkeit ein kleines Taschengeld von Oma dazuverdiente oder einfach nur nach seiner Großmutter geriet. Er stellte ungefähr 100 Warum-Fragen, zu denen Karlo meist nicht mehr einfiel als ein Schulterzucken. Magret beobachtete ihn mit einem siegesbewussten Grinsen. Doch dann fragte ihn Max nach seinem Lieblingsfußballverein und als Karlo den HSV nannte, war es vorbei mit der Männerfreundschaft. Auf den VfB ließ Max nichts kommen. Er wandte sich seinem Bruder zu und kurz darauf begannen die beiden eine lautstarke Kabbelei, bis ihre Mutter ein Einsehen hatte und sie aufstehen ließ.
Die Sonntage in Karlos Familie waren nie so lebhaft gewesen, aber es gab ja auch keine Kinder. Karlo hatte keine Geschwister, die seine Eltern mit Enkeln versorgt hätten. Wenn Karlo zu Besuch kam, suchte seine Mutter das beste Porzellan heraus. Es gab englischen Tee und das dazugehörige Gebäck vom Wiener Café Wirth und er und seine Eltern tauschten gesittet Neuigkeiten aus. Doch selbst diese Nachmittage fanden inzwischen nicht mehr statt. Hier, im Kreis von Maries Familie, merkte Karlo, dass ihm seine Eltern fehlten.
Er sah verstohlen auf die Uhr über dem Kamin und staunte, wie schnell die Zeit vergangen war. Schon kurz nach sieben. Gerade als er Marie signalisieren wollte, dass er langsam aufbrechen musste, fragte sie ihn: „Schatz, würdest du mir beim Abräumen helfen?“
Magret sprang auf und griff nach dem leeren Teller ihres Mannes, doch Marie drückte sie zurück in den Stuhl.
Karlo und Marie trugen jeder einen Stapel Geschirr in die Küche und sie sah ihn dankbar an. „Du warst sehr tapfer. Aber jetzt hast du die Nase sicher gestrichen voll von meiner Familie.“
Karlo schüttelte den Kopf: „Deine Familie ist gar nicht so übel. Ich mag sie.“
„Lügner.“
„Du weißt inzwischen doch, dass ich nicht lügen kann.“
Marie lächelte. „Dann muss deine Familie ganz schön grauenvoll sein, wenn du meine gar nicht so übel findest.“
Karlo suchte nach einer diplomatischen Antwort. „Nicht grauenvoll. Nur anders.“
Bevor Marie nachhaken konnte, sagte Karlo schnell: „Ich werde mich mal auf mein Rad schwingen.“
Marie ließ die Sache auf sich beruhen und sagte: „Ich könnte dich auch mitnehmen.“
„Mein Fahrrad wird nicht in deinen Fiat passen. Außerdem tut mir ein wenig Bewegung nach dieser Völlerei ganz gut.“
Marie verdrehte die Augen: „Dann mach dich auf den Rebmann'schen Abschied gefasst. Das bedeutet im Allgemeinen eine Menge Umarmungen und ein riesiges Proviantpaket.“
18
„Einen wunderschönen guten Morgen.“ Karlos Freude darüber, Marie wiederzusehen, überraschte ihn. Auch ihr Blick hellte sich auf, als er an ihren Schreibtisch trat. Sie hatte ihr weißes Leinenkleid durch ein graues Kostüm ersetzt und ihre Lockenmähne mit einem Haargummi
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