Verplant verliebt
Antwort gierig, mit offen stehendem Mund, als wäre er in einer Seifenoper gelandet, deren Protagonisten gerade zum dramatischen Höhepunkt ansetzten.
Marie hingegen spürte, wie es in ihr brodelte. Was bildete der sich ein? „Willst du etwa sagen, ich wäre paranoid?“ Maries Stimme überschlug sich.
„Nein, ich will sagen, dass es dir schwerfällt, einem anderen Menschen zu vertrauen. Ich glaube einfach, du bist einmal hintergangen worden und gehst nun immer gleich vom Schlimmsten aus.“
Marie dachte an Hannes, der nun mit seiner hohlen Interneteroberung verheiratet war und ein Kind bekam. Sie dachte an die Mails, die sie damals gefunden und heimlich gelesen hatte. Mails, in denen Hannes einer Fremden erzählte, was er vom Leben erwartete: Kinder, Familie, ein Haus. Marie hatte sich gefragt, warum er einer anderen Frau davon schrieb, wo er doch sie hatte, sie, mit der er das alles hätte haben können. Die Mails waren immer vertrauter geworden, Hannes hatte von intimen Fantasien erzählt, von denen Marie nichts gewusst hatte.
Ja, sie war hintergangen worden, aber das würde ihr nie wieder passieren. „Das ist meine Art von Selbstschutz“, flüsterte Marie mit Blick auf den Boden.
„Marie, als ich dich kennenlernte, wusste ich nichts von dir. Ich wusste nicht, wo du arbeitest. Ich wusste nicht, wer du bist. Ich wusste nur, dass ich eine schöne und interessante Frau vor mir hatte. Ja, Gregor hat mich am nächsten Tag aufgeklärt, aber bitte glaube mir, unsere Nacht war weder geplant, noch bist du irgendeine Art von Trophäe für mich. Ich mag dich wirklich sehr und deswegen ist es mir wichtig, dass du mir glaubst.“
Marie kullerte eine Träne aus dem Augenwinkel und Karlo legte ihr eine Hand auf den Rücken. Keiner sagte mehr etwas.
Nach einigen Minuten unterbrach Niko die Stille: „Wie fühlst du dich denn jetzt, Marie?“
Karlo funkelte ihn böse an. Marie antwortete nicht.
„Ich denke, es war gut, dass wir darüber gesprochen haben. Ich spüre schon viel bessere Schwingungen zwischen Ihnen“, palaverte Niko unbedarft weiter und stand auf.
Marie fühlte sich seltsam befreit. Karlo hatte wirklich recht. Aber sie wollte nicht noch einmal blind in so ein Desaster rennen. Sie würde das kein zweites Mal durchstehen. Ganz tief in sich spürte sie bereits einen aufglimmenden Funken, ein winziges Stückchen Vertrauen, das sie Karlo entgegenbrachte, doch sie traute diesem Funken noch nicht.
Als Karlo und Marie aufstanden und zur Tür gingen, hielt Niko Karlo zurück: „Ich würde jetzt gerne mit Ihnen und Bernadette sprechen.“
Karlo schnaubte verächtlich. „Niko, ich kann das durchaus auch ohne Ihre Moderation klären.“
Dann drehte er sich um und ließ Niko stehen.
35
Am Nachmittag wanderten sie auf dem Weingut umher und der König, wie Marie Frau Königs Mann in Gedanken nannte, führte sie durch alle Stufen der Weinproduktion. Sie spazierten an verschiedenen Rebstöcken vorbei, manche hingen voller Trauben und manche waren gekonnt ausgelichtet. Marie wusste, je weniger Beeren ein Strauch trug, desto stärker konzentrierte sich die Geschmackskraft in den verbliebenen Früchten und desto besser wurde der Wein. Der König zeigte, wie man den Zuckergehalt der Trauben in Oechsle maß, um festzustellen, ob sie reif für die Ernte waren und einen guten Jahrgangswein abgeben würden. Dann gingen sie in den Weinkeller und bewunderten die schönen Barrique-Fässer, deren Eichenholz für den feinen Geschmack des Lemberger HADES verantwortlich war, den berühmten Tropfen aus der Region. Marie lernte nichts Neues, beobachtete aber mit Interesse ihre Kollegen. Sie war immer wieder erstaunt, dass Menschen das Einmaleins der Weingewinnung nicht kannten.
„Was macht den Rotwein rot?“, fragte der König in die Runde.
Marie verkniff es sich, die Antwort vorwegzunehmen.
„Na rote Trauben“, antwortete Bernadette in einem Tonfall, als ob das doch jedes Kind wissen müsste.
„Ein Weißwein kann aber auch aus einer roten Traube kommen“, belehrte sie der König lächelnd. Er hatte damit gerechnet, dass diese Antwort kommen würde.
Die anderen schauten fragend. „Die Farbe sitzt in der Schale und die gärt beim Rotwein mit“, klärte der König die Runde auf. Als er seine Ausführungen über verschiedene Traubensorten wieder aufnahm, setzte sich Marie ab und begab sich auf einen Streifzug durch die Gemäuer. Marie mochte die schwere Kälte von Weinkellern, die in der Sommerhitze Abkühlung
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