Verplant verliebt
brachte. Sie bog nach rechts in einen nicht ausgeleuchteten Seitenarm und blieb stehen, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann hörte sie Schritte näherkommen. Sie lauschte dem Kratzen der kleinen Steinchen unter den Schuhen und spähte um die Ecke, wobei sie bloß einen dunklen Umriss erkannte. Die Statur, die durch die Fassreihen schlenderte, konnte nur zu Karlo gehören. Plötzlich klapperten Absätze. Karlo drehte sich um.
„Hier steckst du also, mein lieber Karlo“, säuselte Bernadette.
Marie schob sich tiefer in den Schatten hinein.
„Hallo Bernadette“, antwortete Karlo reserviert.
„Ganz schön eng hier, nicht wahr?“ Marie konnte erkennen, wie Bernadette sich übertrieben nah an Karlo vorbeidrückte, um ihn zwischen sich und einem Fass einzuquetschen.
„Bernadette, wir sollten uns mal in Ruhe unterhalten.“ Karlo trat einen Schritt zur Seite und damit aus Bernadettes Umklammerung.
Marie wusste, dass sie dezent hätte weitergehen sollen, aber es ging beim besten Willen nicht. Gegen die Neugiergene ihrer Mutter kam sie nicht an.
„Wir sind Kollegen.“ Karlo machte eine Pause, wohl in der Hoffnung, dass Bernadette direkt einlenken würde. Doch die schien nicht zu erfassen, worauf Karlo abzielte.
„Manchmal habe ich das Gefühl, du siehst mehr als einen Kollegen in mir“, fuhr Karlo fort.
Bernadette trat einen kleinen Schritt zurück.
„Ich fühle mich sehr geschmeichelt. Leider sind meine Gefühle nicht dieselben. Für mich sind wir Kollegen und nicht mehr.“
Bernadette entfuhr ein leises Quieken und sie hielt sich die Hand vor den Mund. Nun tat sie Marie leid. Unerwiderte Gefühle schmerzten und das wünschte sie nicht einmal dieser Nervensäge.
„Aber Marie magst du ...“, brachte Bernadette gequält hervor. Dabei wandte sie sich ab und ging ein paar Schritte tiefer in den Keller hinein. Sie stand nun fast vor dem Seitenarm des Gewölbes, in dem sich Marie versteckt hielt. Marie schlich auf Zehenspitzen weiter ins Dunkel und versuchte, so flach wie möglich zu atmen.
„Ach Bernadette ...“ Karlo folgte ihr. Er rang um Worte. „Das hat nichts mit unserem Gespräch hier zu tun“.
Der dumpfe Hall der Steinmauern trug Karlos Stimme direkt zu Marie. Es war, als stünde er neben ihr.
„Also magst du sie mehr als mich?“ Auf einmal las Bernadette sehr wohl zwischen den Zeilen.
Auch Marie interessierte die Antwort. Was genau sie hören wollte, wusste sie allerdings nicht.
„Bernadette, ich bitte dich einfach, künftig eine Nummer zurückzuschalten, ja?“
Bernadette begriff, dass sie wohl keine Antwort erhalten würde, und sah niedergeschlagen auf den Boden. Karlo streichelte ihr aufmunternd über den Oberarm und schaute dabei in den Seitengang. Marie blieb fast das Herz stehen, doch Karlos Blick glitt über sie hinweg. Dann drehte er sich um und ging zum Ausgang. Bernadette blieb stehen, den Rücken an die Steinwand gelehnt, den Kopf auf den Boden gerichtet. Marie würde wohl noch weiter in ihrem Versteck ausharren müssen. Karlos Worte überschlugen sich derweil in ihrem Kopf. „Das hat nichts mit unserem Gespräch hier zu tun“, hatte er gesagt. Es wäre ein Leichtes gewesen, Bernadette zu versichern, dass auch Marie nicht mehr als eine Kollegin war. Doch das hatte er nicht getan.
36
Marie lehnte sich zurück und nippte genüsslich an ihrem Weißherbst. Der zuckersüße Eiswein war der letzte von acht Weinen aus Württemberg, die sie der König hatte verkosten lassen. Selbst wenn bei einer schwäbischen Weinprobe der Wein geschwenkt, genippt, geschlotzt und gegurgelt wurde wie anderswo auch, kam Ausspucken nicht in Frage. „Mir habet nix zu verschenke“, hatte der König mit Nachdruck verkündet. Das war auch immer das Credo ihrer Eltern gewesen. Recht hatten sie!
Im Schwabenland bestand eine Probe oft aus einem Achtelliter Wein, und wenn es schmeckte, wurde daraus auch gerne mal ein Viertele. So machte sich in Marie langsam eine wohlige Hitze breit, die ihre Wangen glühen ließ. Ein Blick in die Runde verriet ihr, dass sie trotzdem eine der Nüchternsten war. Sandra und Albert hingen noch enger aufeinander als sonst, die Nerds glucksten lauter und auch die Königin gestikulierte stärker. Sie war in Anekdoten-Erzähl-Laune und ihr schwäbischer Dialekt, der sonst kaum zu hören war, trat deutlich hervor: „Wenn Se de Weg nuffgange, da findet Se drei riesige Eiche, die sen über 200 Jahr alt. Mer sagt, der einschtige Gutsherr verlor all
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