Verräterherz (German Edition)
Stimme klang nun etwas kleinlaut.
„ Als Madam Ribaud das Kleid der Freundin ein Stück geöffnet hatte, starrte sie auf den Rücken der Schönen und stieß plötzlich ein unschönes Zischen aus. Ich konnte von meiner Position aus nicht sehr viel sehen, aber es muss wirklich heftig gewesen sein, denn Madam Ribauds Eckzähne wuchsen, obwohl es außer Frage stand, dass sie eine Vampirin vom gleichen Stand nicht zu Nahrungszwecken benutzen würde. Sie hatte sich zuvor genährt, das wusste ich von Victor, der ebenfalls wie ich ein Diener war. Sie hatte ihm befohlen, ihr Opfer eine Stunde früher als gewöhnlich zu servieren. So war sie bereits gesättigt, bevor die Freundin eingetroffen war, damit sie sich in Ruhe den Spielchen hingeben könnte, die eigentlich geplant waren. Als sie jedoch den Rücken der Freundin sah, waren sämtliche Pläne über den Haufen geworfen. Madam Ribaud reagierte auf die blutigen Wunden sehr heftig. Sie waren zuvor mit Kräutern abgerieben worden, die den Geruch verbergen sollten. Nun jedoch, als Madam Ribauds die Wunden mit dem Entfernen der Kleidung erneut zum Bluten brachte, durchströmte der Geruch den ganzen Raum. Und als ich schon dachte, ich würde Zeuge, wie sich zwei edle Damen gegen sämtliche Konventionen verhalten, begriff ich, dass es nicht die Blutgier war, die Madam Ribauds Zähne hatten wachsen lassen, sondern die grenzenlose Wut, dass man ihre Freundin verletzt hatte. Der kurze Dialog zwischen beiden machte das deutlich. Er war geprägt von Eifersucht, und ich begann mich zu fragen, ob eigentlich Monsieur Ribaud von dieser Liaison zwischen seiner Frau und Jaqueline Marais wusste.“
Ich muss gestehen, dass ich beinahe die Geduld mit Claude verlor. Er erzählte vielleicht so, wie sein Freund die Geschichten hören wollte – aber ich wollte definitiv endlich wissen, was das alles mit mir und meinem bevorstehenden Schicksal zu tun hatte. Es war nervtötend, ihn unwichtiges Zeug faseln zu hören.
„ Die Stimme von Madame klang so, wie ich sie nie zuvor gehört hatte. Immer wieder wollte sie wissen, wer das getan hatte. Es hörte sich an, als hätte sie ein persönliches Anrecht auf den Körper der Freundin. Und vermutlich hatten die beiden tatsächlich mal einen Pakt dahingehend geschlossen, denn die schöne Adelige klang schuldbewusst, als sie sagte, dass man sie im Hause Morlet gebeten hätte, an einem Ritual teilzunehmen. Sie habe zugestimmt, weil es sich nicht geziemt hätte, eine solche Ehre abzulehnen. Geziemt … so einen Mist reden die vornehmen Herrschaften, kannst du dir das vorstellen, Sebastian?“
Ein Ritual also … Konnte der Blödmann nicht endlich weiter erzählen, statt sich über die Wortwahl seiner Herrinnen lustig zu machen?
„ Wie sah sie denn aus? Hast du was gesehen?“, fragte Sebastian und kam mir damit zumindest ein Stück weit entgegen, weil er Claude zum Weitersprechen animierte.
„ Ja, ich sah es, als die Freundin sich etwas umwandte. Sie hatte wirklich heftige Striemen … Ich wurde selbst ein wenig hungrig und nippte an dem Blutkelch, als die beiden Frauen ins Gespräch vertieft waren.“
Sebastian gab ein lachendes Schnauben von sich. „Du hast das Blut eines unberührten schottischen Jünglings getrunken? Und, wie hat es geschmeckt?“
„ Es war das Beste, was ich je zu mir genommen habe, obwohl es nicht einmal direkt aus der Vene kam. Der Geschmack war so rein. Ich habe so etwas seitdem nie wieder erlebt.“
„ Mit der Hure, der wir auflauern, wirst du das auch nicht“, gab Sebastian ungnädig zurück und bestätigte damit meine Vermutung, dass die beiden auf die Frau warteten, die ich längst getötet hatte. Nun, solange sie warteten, würden sie hoffentlich ihren Standort nicht wechseln und ich könnte problemlos ihrer Unterhaltung folgen.
„ Was haben die Morlets denn für ein Ritual durchgeführt?“
„ Das hat sie nicht genau erzählen wollen. Madam Ribaud war sehr ungehalten deswegen. Sie drohte damit, die Morlets dauerhaft von ihrer Gästeliste zu streichen. Das ist bei den Adeligen so ungefähr das Schlimmste, was man sich gegenseitig gesellschaftlich antun kann.“
„ Und wenn schon? Soll die versnobte Bande sich doch untereinander die Augen auskratzen.“
Beide Männer lachten nun und ich kam nicht umhin, ihnen recht zu geben. Aber das würde mir nichts nutzen, denn die Snobs halten stets zusammen, wenn es gegen einen von niedrigerem Stand geht.
„ Madam Ribauds Freundin wirkte jedenfalls sehr erschrocken
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