Verräterherz (German Edition)
Anzeichen der Verwirrung, Scheu oder Angst. Und dies war nicht nur Einbildung, denn zum ersten hätte ich es gespürt und gerochen, wenn es anders gewesen wäre, und zum zweiten erschien er ja auch freiwillig am nächsten Abend. Erst am dritten Abend begriff ich, warum er so gelassen blieb. Fenouillet ging davon aus, dass ich ihm einen Roman erzählte - eine erfundene Geschichte, die ich so gestalten wollte, als habe ich sie selbst erlebt. Nun, er war Literat; ihm waren die verschiedenen Formen, in denen man eine Geschichte erzählen kann natürlich vertraut. Er lobte mich sogar einmal für den Stil, in dem ich erzählte. Und während er meine gesprochenen Worte mit seiner filigranen Schreibkunst verfeinerte, fand immer wieder der Becher seiner Thermoskanne den Weg an seine Lippen. Vielleicht hielt er mich für besonders ambitioniert, weil ich während meiner Erzählung weder aß noch trank. Nur ein einziges Mal fragte er mich, warum ich meine Geschichte nicht selbst niederschreibe. Ich erwiderte schlicht, dass ich es nicht könne. Er nickte vage und vermutlich glaubte er daraufhin, ich sei ein Analphabet, der dennoch ein Buch herausbringen wolle.
Ich weiß nicht woran es lag, dass er plötzlich aus der Nase zu bluten begann. Vielleicht eine Folge des vielen Kaffeekonsums? Vielleicht war es aber auch einfach nur ein dummer Zufall. Ich spürte, dass es ihm unangenehm war, und er kramte etwas hilflos in der Hosentasche. Ich griff zu einer Packung Taschentücher, die Jules Fordant auf der Anrichte liegengelassen hatte, riss eins heraus und reichte es meinem Literaten.
Er bedankte sich verlegen und griff danach. Seine Finger waren blutverschmiert. Der Geruch war schon köstlich genug gewesen, doch das lockende Rot brachte mich vollends um den Verstand. Von da an geschah alles wie von selbst. Ich griff nach seiner Hand, die das Taschentuch umklammert hielt, führte sie an meine Lippen und leckte sie genüsslich ab. Fenouillet gab ein verblüfftes Keuchen von sich, wohl in der Annahme, ich wolle ihm einen Streich spielen und so tun, als glaube ich an die Rolle, die ich ihm für das Buch diktierte. Ich leckte ihm die Finger sauber und als ich dort keinen Nachschub mehr bekam, beugte ich mich zu ihm und ließ meine Zungenspitze über seine Oberlippe gleiten, auf der sich das Blut sammelte. Das war ihm dann offenbar doch zu viel, egal ob ich nur spielte oder nicht. Er zuckte heftig zurück und wollte mich von sich stoßen, aber ich war kräftiger als er. Viel kräftiger ...
Das Blut aus der Nase verteilte sich durch unser Gerangel auf seiner Wange bis hin zum Ohr. Ich zwang den Kopf meines Literaten auf den Küchentisch und leckte mit ausgestreckter Zunge über die Bartstoppeln, die von dem unwiderstehlichen Lebenssaft umschlossen worden. Als das Blut aus der Nase zu versiegen drohte, hob ich seinen Kopf an und schlug ihn mit dem Gesicht auf die Tischplatte, um den Strom meiner Nahrung am Laufen zu halten. Er war nun benebelt und ich zwang seinen Kopf in den Nacken. Als Fenouillet den Mund zu einem Schrei öffnete, nutzte ich diesen Umstand für einen Kuss, der für ihn tödlich enden sollte. Ich war nicht mehr Herr über mich selbst, wie ich gerne noch einmal klarstellen möchte. Meine Zähne bohrten sich in seine Zunge, die sich mir daraufhin nicht mehr entwinden konnte. Sie zuckte heftig, aber sie entkam meinen Fangzähnen nicht; im Gegenteil, köstlich rann mir das Blut aus den Wunden die Kehle hinab und machte mich trunken vor Verlangen, noch mehr davon zu schmecken. Unter seinen vergeblichen Anstrengungen schoss ihm ein neuer Schwall Blut von der Nase in den weit geöffneten Mund. Ich schluckte und schluckte – ergab mich ganz dem köstlichen Mahl - bis mein Opfer mit verdrehten Augen jede Gegenwehr aufgab.
Der süße Moment war gekommen – der kurze Augenblick zwischen Leben und Tod, in dem das Blut meines Opfers am köstlichsten schmeckte. Ich gönnte mir noch ein paar Züge, bevor ich schließlich meine Zähne aus seiner Zunge zog und ihn freigab, weil sein Herz aufgehört hatte, zu schlagen. Du erinnerst dich, dass das Blut danach recht schnell übelschmeckend wird?
Nun, ich hatte ohnehin nicht mehr viel davon in seinem Körper gelassen. Erst jetzt fiel mir auf, dass die Thermoskanne umgefallen war und der restliche Kaffee meinem Literaten in den Schoß tropfte. Ich nahm das Küchentuch und tupfte hektisch seinen Schritt trocken. Eine völlig unsinnige Handlung, das ist mir klar. Aber genau wie bei meinem
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