Verräterherz (German Edition)
folgenden Kapitel gerichtet und schließlich ließ mich eine Überschrift aufhorchen. Sie lautete: Befreiung durch adeliges Blut.
Beim Lesen stellte sich dann schnell heraus, dass es um eine völlig falsche Vorstellung über die Nahrungsaufnahme von Vampiren ging. So wurde vom Verfasser dargelegt, dass es Vampiren möglich wäre, für immer auf weitere Nahrungsaufnahme zu verzichten, wenn sie sich in der Folge dreizehn Nächte lang ausschließlich vom Blut adeliger Menschen nährten. Das ist blanker Unsinn! Wie ich zugeben muss, habe ich es selbst zwar nie ausprobiert, aber ganz gewiss konnte man sich so den Hunger nicht vom Hals halten, sonst hätten die unglücklichen Hüter, die sich nach Morden an Menschen selbst dem Verhungern ausgeliefert hatten, sicher eher zu jener beschriebenen Methode gegriffen. Es wäre ein vergleichsweise einfacher Weg gewesen, noch dreizehn Tage lang zu sündigen, und sich dann den Rest des Daseins der Buße dafür hinzugeben, ohne jedoch die eigene Existenz auslöschen zu müssen. Ich musste diese Theorien also verwerfen. Dennoch war meine Neugier geweckt. Was wäre, wenn zumindest ein Fünkchen Wahrheit in den Zeilen steckte? War es vielleicht möglich, dass tatsächlich eine Verbindung zwischen adeligem Blut und den Hütern bestand?
~10~
Als ich die Bibliothek verließ, hatte ich immerhin für zwei Probleme ansatzweise eine Lösung gefunden. Und ich hatte zwei Entscheidungen getroffen, die beide recht gefährlich für mich waren. Die zweite – von der ich dir später berichten werde - war sogar noch sehr viel gefährlicher, als mein Vorhaben, mit einer Leiche einen Ausflug im Auto zu unternehmen, ohne die geringste Ahnung, ob ich es wirklich würde steuern können. Also nahm ich mir vor, meine Fahrkünste sofort zu testen, noch bevor ich in die Wohnung zurückkehrte. Außerdem kaufte ich auf dem Rückweg eine Schaufel, sowie einige Packungen Kaffee von der Sorte, die mein Literat mir genannt hatte. Die Schaufel, sowie den Kaffee legte ich ins Auto, bevor ich mich auf den Fahrersitz setzte und einen Moment lang so verharrte. Du kannst dir sicher vorstellen, wie nervös ich war, als ich den Autoschlüssel, der am Schlüsselbund befestigt war, und den ich bislang ignoriert hatte, ins Zündschloss schob und den Motor startete. Mein Fuß trat automatisch das Kupplungspedal durch. Dann ließ ich sie langsam kommen und ich schaffte es, das Fahrzeug ohne Probleme in Bewegung zu setzen. Ich reagierte rein intuitiv und hätte ich ein Herz, hätte es mir sicher vor Aufregung bis zum Hals geschlagen. So drehte ich ein paar Runden, bis ich endlich davon überzeugt war, dass ich Fordants Fähigkeit tatsächlich übernommen hatte. Dann parkte ich den Wagen wieder, kehrte ich in die Wohnung zurück und betrat das Badezimmer. Mein Literat lag da, wie ich ihn verlassen hatte ... was wohl nicht weiter verwunderlich war. Sein Anblick war vermutlich kein angenehmer ... für einen Menschen. Immerhin war er nun doch ziemlich blutleer. Fenouillet hatte jedoch von Natur aus einen eher blassen Teint gehabt hatte, deshalb fiel der Unterschied nicht ganz so gravierend auf. Da er keine äußeren Bisswunden aufwies, säuberte ich sein Gesicht sorgfältig, schob die weit heraushängende und zugegebenermaßen ziemlich löcherige Zunge hinter seine Zähne und schloss ihm nachdrücklich die Kiefer. Dann wartete ich, bis es draußen dunkel war. Ich schnappte mir den leblosen Körper, legte meinen Arm um ihn und verließ die Wohnung, indem ich ihn mit mir schleifte. Unaufhörlich redete ich auf ihn ein, dass ich ihn doch gewarnt hätte, dass das letzte Glas eines zu viel sein würde.
An der Haustür begegnete mir eine ältere Frau, die uns angewidert ansah und sich dann an mir vorbeiquetschte. Als sie die Treppen hochstieg, hörte ich sie „Säuferpack“ murmeln. Ich brachte meinen Literaten bis zum Auto und schaffte es mit Müh und Not, die Tür aufzuschließen, ohne dass der Körper mir zu Boden rutschte. Dann verfrachtete ich ihn auf den Beifahrersitz und schnallte ihn sorgfältig an. Inzwischen hing ihm die Zunge wieder aus dem Mund, also schob ich sie erneut zurück und schloss dann die Tür. Während ich um die Motorhaube herum ging, beschwor ich mich selbst, wegen der bevorstehenden Fahrt nicht die Nerven zu verlieren.
Recht geschickt meisterte ich jedoch zu meiner Erleichterung diese Aufgabe, und schien mich dabei nicht auffälliger zu verhalten, als die anderen Autofahrer im Pariser Straßenverkehr.
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