Verräterherz (German Edition)
hatte.
„ Ich weiß, dass ich dir etwas schulde. Aus Dankbarkeit, nicht, weil ich dich zu irgendetwas gezwungen hätte“, stellte er klar. Ich wartete ab.
„ Und eben weil ich dir etwas schulde, werde ich deinen Plan, dich vorzeitig in meine Hand zu begeben, nicht unterstützen. Solltest du jemanden finden, der dir einen Pflock ins nicht existente Herz rammt, werde ich mal vorbeischauen, weil ich dazu gezwungen bin. Aber die Idee halte ich nicht für gut! Es wird andere Wege geben. Finde sie!“
Damit verschwand er.
~ღ~
Ich war immer noch ziemlich kraftlos nach meinem Verhungerversuch. Aber als das Mädchen nach seinem Statement einfach so verschwand, war ich noch viel kraftloser. Der Tod hatte nichts von dem begriffen, was ich ihm erklärt hatte. Er tat so, als wäre es meine Entscheidung, was aus mir wurde. Aber das war es nicht. Das IST es nicht! Ich bin ein Verräterherz. Da gibt es für mich nichts mehr zu entscheiden, solange ich in dieser rachsüchtigen Vampirwelt existiere.
Vielleicht fragst du dich, was seitdem geschehen ist. Vielleicht fragst du dich, ob man mich bereits in die Finger bekam und wie erwartet quälte. Nun ... noch nicht. Aber natürlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis genau dies geschieht. Und nur, weil es mir bisher glücklicherweise gelang, mich dem zu entziehen, heißt das nicht, dass es ewig so weitergehen wird. Seien wir ehrlich ... die Ewigkeit ist wirklich verdammt lang, und es ist völlig unmöglich, dass mich niemals jemand aufspüren wird, der um die Belohnung weiß, die die Morlets auf mich ausgesetzt haben.
~ღ~
Nach meiner Unterredung mit dem Tod wechselte ich den Standort. Dies schien mir die einzige Möglichkeit zu sein, um zur Ruhe zu kommen und nachzudenken, wie ich weiter vorgehen sollte. Mademoiselle la mort zwang mich ja dazu, und was sonst blieb mir nun übrig? Noch am selben Abend suchte ich mein Opfer aus. Obwohl ich sehr hungrig war nach meiner langen Fastenzeit, wählte ich es mit Bedacht, denn es sollte mir weit mehr als nur zu Nahrungszwecken dienen. Ich verließ meine Wohnung in dem Wissen, dass ich sie vermutlich nie wieder betreten würde. Über kurz oder lang würde man herausfinden, wo ich mich aufgehalten hatte. Immerhin war ich so dumm gewesen, immer noch den gleichen Namen zu benutzen, wie damals, als ich Morlets Opfer wurde.
Natürlich hatte ich mein Geburtsdatum und meine Biographie angepasst, aber einen Vampir konnte ich damit natürlich nicht lange täuschen. Ich würde mir also eine neue Identität zulegen, und mich von Lucien Chevrier endgültig verabschieden müssen. Ich packte nur das Nötigste in eine Tasche und machte mich auf den Weg nach Seine-Saint-Denis, ein Département, das nordöstlich an Paris grenzt. Keine gute Gegend, wie ich vielleicht nicht unbedingt extra erläutern muss. Es hat eine hohe Einwohnerzahl und soziale Konflikte sind an der Tagesordnung. Ich versprach mir von diesen Umständen den Schutz der Anonymität; außerdem lässt sich ein plötzlicher Anstieg von „Gewalttaten“ besser erklären, denn mir war klar, dass ich zumindest in nächster Zeit für meine Nahrungssuche besser keine großen Wege zurücklegen sollte. Ich verbrachte etwa eine gute Stunde damit, mir eine Straße anzusehen, deren Häuser grau in den Himmel stachen. Die Wände waren mit Graffiti beschmiert, genau wie alles andere in der Gegend, das als Fläche für diese fragwürdige Kunst herhalten konnte. Ich sah einen Mann in zerrissener Kleidung, der gegen eine Hauswand urinierte, als wäre es die normalste Sache der Welt. Autos parkten auf den Gehwegen und zwei Mütter kurvten mit ihren Kinderwagen geschickt drum herum, während sie lauthals über die Faulheit ihrer Männer schimpften. Ich beobachtete einen jungen Mann, der aus seinem gerade geparkten Wagen stieg und sich dann einem der tristen Häuser näherte. Der junge Mann sah gepflegt aus und immerhin besaß er ein eigenes Auto. Ich folgte ihm. Als er ein Haus in der Mitte des Wohnblocks betrat, wartete ich einen Moment, bevor ich ebenfalls ins Haus ging.
Ich hörte ihn die Treppen hinaufsteigen. Ich folgte ihm und merkte mir in welcher Wohnung er verschwunden war. Dann ging ich die Treppe wieder hinab, verließ das Haus und öffnete einen der Müllcontainer. Es dauerte nicht lange, bis ich fand, was ich gesucht hatte. Im Laufe der Zeit habe ich euch Menschen natürlich beobachtet. Eure Essgewohnheiten haben sich seitdem ich ein Mensch war immens verändert. Nun gut ... seit ich
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