Verräterherz (German Edition)
ein Vampir bin, haben sich meine Essgewohnheiten auch enorm geändert, und vielleicht bin ich der Letzte, der euch Vorwürfe wegen gesundheitsschädigendem Fastfood machen sollte. Aber wenn ich ehrlich bin, schmeckt so manches Blut heute nicht mehr besonders gut. Das heißt aber nicht, dass ich auf das Blut eines Fastfood Junkies verzichten würde. Du kannst deinen Verzehr von Hamburgern, Currywurst und Fritten also nicht als einen Schutz vor mir ansehen. Nun, kommen wir zu dem zurück, was ich fand. Es war eine Pizzaschachtel. Sie war noch ziemlich in Ordnung, wenn man mal von dem Fettfleck absah, der sich durch den Boden gefressen hatte. Aber das störte nicht weiter, denn ich hielt sie so, dass man ihn unmöglich auf den ersten Blick sehen konnte. Dann machte ich mich auf den Weg zu der Wohnung, in der der junge Mann verschwunden war. Meine Tasche stellte ich in eine Ecke des Flurs, die ich im Auge behalten konnte, dann betätigte ich den Klingelknopf, worauf ein brummendes Geräusch in der Wohnung erklang. Zusätzlich klopfte ich an die Tür, damit der Bewohner wusste, dass ich bereits im Flur stand. Er öffnete die Tür mit vorgelegter Kette. Vermutlich normal in dieser schlechten Gegend, dachte ich und setzte ein geschäftiges und damit flüchtiges Lächeln auf.
„ Sie hatten Pizza bestellt“, sagte ich mit einem drängenden Unterton, der klar machen sollte, dass ich es eilig hatte.
„ Ich habe nichts bestellt“, erwiderte er. Ich kramte in meiner Tasche nach der Quittung, die Morlet über meine Taschenuhr ausgestellt hatte, und die ich immer noch bei mir trug, seit ich sie bei dem Tätowierten gefunden hatte. Ich sah flüchtig darauf und sagte dann: „Die Adresse stimmt aber. Dann hat vielleicht Ihre Frau die Pizza bestellt.“
„ Ich habe keine Frau“, sagte der Mann.
„ Dann vielleicht Ihre Freundin ... oder Ihr Mann oder Ihr Freund“, gab ich mich jovial. Nun wirkte er verärgert. „Hören Sie, ich wohne alleine, und ich kann Ihnen versichern, dass ich nichts bestellt habe.“ Er wollte die Tür gerade vor meiner Nase schließen, doch nun, da ich die Auskunft hatte, die ich brauchte, kam ich ihm zuvor. Ich ließ die leere Pizzaschachtel fallen. Die Kette stellte kein Problem dar, sie barst ebenso schnell, wie meine Zähne den Weg durch das warme menschliche Fleisch fanden. Der junge Mann starb ohne einen einzigen Laut von sich zu geben, was vielleicht auch daran lag, dass ich ihm mit eiserner Hand den Mund zuhielt. Es ging alles sehr schnell. Als er zu Boden sank, wischte ich mir sein Blut von den Lippen, hob die Pizzaschachtel auf, warf sie in die Wohnung und schloss die Tür hinter mir. Die Leiche des jungen Mannes legte ich auf den Teppich im Wohnzimmer und wartete die nächste halbe Stunde lang darauf, dass der Tod sich mir zeigen würde. Aber das tat er nicht. Er holte wohl die Seele meines Opfers, aber für mich schien er keine Zeit zu haben. Da ich den Körper des Mannes für mich selbst benötigte, musste ich mir über dessen Beseitigung keine Sorgen machen. Ich ließ sein Herz verdorren, um schließlich von ihm Besitz zu ergreifen. Nun sah ich aus wie er und ich sprach auch wie er. Außerdem gehörte seine Wohnung nun mir – das heißt, ich würde sie bewohnen. Und obwohl ich nicht einmal wusste, wie ich von da an hieß, fühlte ich, dass ich eine gute Entscheidung getroffen hatte. Meine Spur war verwischt und man glaubte vermutlich, ich hätte schon längst das Land verlassen. Denn ganz gewiss dachte man in den elitären Vampirkreisen nicht daran, dass ich eine Wohnung wie einen Schuhkarton in einem heruntergekommenen Viertel als Versteck wählen würde. Snobs denken eben auch wie Snobs .. und die suchten vermutlich in den teuren Hotels nach mir, die ich in der Zeit hätte erreichen können, die seit meiner Flucht vergangen war.
Nun, mit dieser Suche würden sie wohl vorerst beschäftigt sein. Ich nutzte den Rest des Tages, um herauszufinden, zu wem ich nun eigentlich geworden war. Ich durchwühlte sein Portemonnaie, seine Schränke, sah in die Unterlagen, durchblätterte das Fotoalbum und hörte schließlich sogar eine der CDs, die er in einem Regal stehen hatte. Ich entschied, das Leben von Jules Fordant - wie der junge Mann geheißen hatte - erst einmal komplett so zu übernehmen, wie es war – ohne jedoch noch einmal auf seine Musik zurückzugreifen, die mir immer noch unangenehm in den Ohren hallte, obwohl ich sie längst ausgeschaltet hatte. Dann entschied ich mich, meine
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