Verräterische Gefühle
ihnen auszuweichen versuchten, mischten sich mit wütendem Taxihupen und dem Geräusch quietschender Bremsen.
Katie fühlte sich wie in einem Albtraum gefangen. Hinter sich hörte sie Nathaniel lachen und schauderte. Der Mann hatte offenbar einen extremen Sinn für Humor! Im Vorbeirasen sah sie eine riesige Menschenansammlung vor dem Theater stehen. Die meisten waren Frauen, die große Transparente hochhielten, auf denen stand: I love Nathaniel Wolfe . Sie waren gekommen, um wenigstens einen flüchtigen Blick auf ihr Idol zu werfen, wenn sie schon keine Karten mehr bekommen hatten.
Jetzt mischten sie sich mit den frustrierten Zuschauern, die aus dem Innern des Theaters strömten und denen trotz Eintrittskarten auch nicht mehr als jener kurze Anblick des berühmten Schauspielers vergönnt gewesen war, bevor er fluchtartig die Bühne verlassen hatte.
Wenn Sie wüssten, dass er gerade auf einer altersschwachen Vespa an ihnen vorbeirast! dachte Katie und konnte sich ein kleines Gefühl der Genugtuung nicht verkneifen.
„Wo lang?“, brüllte Nathaniel.
Die Stimme dicht an ihrem Ohr klang immer noch sehr dominant. Und Katie beschloss, dass es an der Zeit war, wieder selbst die Regie zu übernehmen. Immerhin kannte sie sich in diesem Straßengewirr viel besser aus als er. Bereitwillig zog Nathaniel seine Hände zurück, legte sie aber locker um ihre Taille, was nicht gerade zu ihrer Konzentration beitrug.
Vorsichtshalber fuhr sie ein paar Schleifen durch ein Gewirr von Nebenstraßen, um etwaige Verfolger abzuschütteln. Erst zwanzig Minuten später war sie so weit beruhigt, dass sie es wagte, die Themse zu überqueren, um ins südliche London zu gelangen, wo sie ein Mini-Apartment bewohnte.
Inzwischen hatte sich auch ihr Herzschlag ein wenig beruhigt, und erst nachträglich dämmerte Katie die Ungeheuerlichkeit ihrer spontanen Aktion. Sobald sie in das Viertel mit den schmucklosen Wohnblocks einbog, holte die Realität sie zumindest so weit ein, dass ihr peinlich bewusst wurde, wie wenig ihr berühmter Sozius in diese Gegend passte. Vor einem der anonymen grauen Kästen hielt sie an.
„Hier wohne ich.“
Zu ihrem heimlichen Bedauern ließ Nathaniel sie sofort los, stieg von der Vespa und wollte den Helm abnehmen.
„Noch nicht!“, warnte Katie hastig. „Auch hier könnte Sie jemand erkennen. Lassen Sie uns lieber erst reingehen. Und gehen Sie so normal wie möglich. Nicht wie ein Hollywoodstar oder ein Elitesoldat auf einer wichtigen Mission. Sie müssen sozusagen mit dem Hintergrund verschmelzen.“ Wie das in der martialischen schwarzen Lederjacke möglich sein sollte, die sie ihm als zeitgenössisches Kostüm für Richard II verpasst hatte, wusste sie allerdings auch nicht.
Ihre Beine zitterten wie Espenlaub, als sie unsicher von der Vespa stieg. „Sie sind gefahren wie ein Wahnsinniger“, beschwerte sie sich. „Ich dachte schon, Sie bringen uns beide um!“ Ihre Hände bebten ebenfalls, als sie den Roller abschloss. „Ich wohne im zweiten Stock.“ Schauen sie niemanden an, während wir hochgehen.“
Als sie den ersten Absatz erreichten, öffnete sich leise eine Tür. „Bist du das, Katie, Liebes?“, drang eine dünne Stimme durch den Spalt.
Mit einem heftigen Wink hielt sie ihren Begleiter hinter sich. „Ja, Vera, ich bin’s. Alles in Ordnung?“
„Du bist aber früh zurück.“ Die Tür öffnete sich ein Stück weiter. „Und dann auch noch in Begleitung eines attraktiven jungen Mannes.“ Die Augen der alten Dame glitzerten neugierig hinter den runden Brillengläsern. „Das ging ja wirklich schnell! Deshalb heißt es wohl auch Speed-Dating .“
„Vera, ich war gar nicht …“
„Und da hast du nicht lange gefackelt und ihn gleich mit nach Hause genommen. Schön für dich, Liebes!“ Sie beugte sich vor, um Nathaniel besser in Augenschein zu nehmen. „Sie haben gute, breite Schultern, junger Mann.“
Sprachlos vor Verlegenheit umarmte Katie ihre alte Nachbarin und schob sie sanft in die Wohnung zurück. „Tut mir leid, aber wir müssen jetzt …“
„Ganz bestimmt müsst ihr!“, versicherte Vera, die den Wink zu verstehen glaubte. „ Speed-Dating! Denk nur daran, dass nicht alles in diesem rasanten Tempo passieren muss, Liebes.“ Mit diesem mütterlichen Ratschlag entließ sie die jungen Leute und schloss nachdrücklich die Tür.
Katie stöhnte innerlich auf und suchte mit hochrotem Kopf nach dem Schlüssel in ihrer Tasche, während sie die letzten Stufen hinaufging. Sie
Weitere Kostenlose Bücher