Verräterische Lippen
ein paar Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Sie bekommen eine Binde
über die Augen, genauso wie auf dem Weg hierher, und außerdem warten wir den
Abend ab .«
»Sind
Sie wirklich nur vorsichtig ?« erkundigte ich mich
ironisch, »oder haben Sie Angst?«
Die
Wachtposten packten mich bei den Armen und stießen mich zur Tür. Ich hätte mir
wahrscheinlich die Nase daran eingerannt, was dem Robertsschen Charme ernsthaft Abbruch getan hätte, wäre die Tür nicht unvermutet
aufgegangen. Ich stolperte hinaus auf den Flur und blieb nach ein paar
Schritten stehen.
Dann
wandte ich mich verblüfft um. Der adrett gekleidete dünne Mann, der die Tür
aufgemacht hatte, hielt noch immer die Klinke in der Hand und starrte mich
ebenfalls überrascht an. Er hatte einen kleinen Schnurrbart und ein weiches,
empfindsames Gesicht.
Die
beiden Wachtposten mit den ausgebeulten Hosen kamen hinter mir her. »Bringt ihn
weg !« rief der kleine Mann mit den schlaffen Wangen.
»Und faßt den Yankee nicht zu zart an !«
Der
Mann mit dem Schnurrbart wandte den Blick von mir und verschwand in dem Raum.
Ich war mir nicht ganz sicher, ob er schuldbewußt oder nervös wirkte.
Vielleicht beides.
Ich
war genauso erstaunt über unser Zusammentreffen gewesen wie er. Als ich ihn
zuletzt gesehen hatte, war er in den Schatten eines großen Busches getreten,
nachdem er mir zuvor den Schlüssel einer amerikanischen Limousine in die Hand
gedrückt und mir erklärt hatte, in welchem Zimmer des Hauses unterhalb des
Felshangs ich Señorita Mendez finden würde.
Die
beiden Posten stießen mich durch den Gang. Einer hatte mir den Arm auf den
Rücken gedreht.
Plötzlich
fühlte ich mich benommen. Jedesmal, wenn ich glaubte, dahintergekommen zu sein,
wer hier wen hinterging, wurde ich selbst von neuem aufs Kreuz gelegt.
10
Meiner
Schätzung nach mußte es mindestens Mitternacht sein, als meine Tür wieder
geöffnet wurde. Der Außenriegel war gut geölt, deshalb war es das Schleifen von
Holz auf dem Steinfußboden, das mich von meinem Strohlager hochschreckte.
Der
dünne Mann stand in der Türöffnung und leuchtete mich mit einer Taschenlampe
an. Der magere Lichtschein gab mir das Gefühl, ein zehntrangiger Schauspieler
zu sein, dem plötzlich die Chance seines großen Durchbruchs gegeben wird.
»Ich
habe nicht erwartet, Sie hier zu treffen«, sagte er und machte schnell die Tür
hinter sich zu. Der Strahl seiner Taschenlampe stellte eine optische Verbindung
zwischen uns her.
»Und
ich hatte Ihre Schwester erwartet«, grinste ich.
Er
musterte mich neugierig. »Sie sind sehr kaltblütig für einen Mann, der immer
wieder in bedenkliche Situationen gerät .«
»So
kaltblütig, daß ich vor Kälte überhaupt nichts mehr empfinde«, erklärte ich.
»Was machen Sie hier? Aber sagen Sie nicht, dafür gäbe es eine ganz einfache
Erklärung. Die nehme ich Ihnen nämlich nicht ab .«
»Spielt
es eine Rolle, was ich hier mache, solange ich Ihnen behilflich bin ?«
» Wieviel soll es diesmal kosten ?«
»Diesmal
gar nichts.«
»Das
ist ein mächtiger Preisnachlaß . Aus besonderem
Grund?«
»Sie
haben mir fünftausend Dollar gezahlt, aber es ist Ihnen nicht gelungen,
Señorita Mendez zu befreien. Ich will Ihnen helfen, Ihr Ziel doch noch zu
erreichen .«
»Sie
haben mir gezeigt, wo ich sie finden würde. Das war fünftausend Dollar wert. Bringen Sie uns beide hier heraus, dann bekommen Sie
die restlichen fünftausend .«
Er
nickte. »Einverstanden, Señor Roberts. Das Geschäft ist perfekt .« Sein Lächeln war freundlich, aber ich glaubte nicht, daß
ihm an dem Geld sehr viel lag.
»Sie
hätten auch geholfen, wenn ich Ihnen nichts angeboten hätte. Warum?«
Er
zuckte die Achseln. »Ich möchte, daß Señorita Mendez wieder zu ihrem Vater kann .«
Was
eine weitere Frage aufwarf: Warum lag ihm daran? Aber wahrscheinlich hätte ich
ihm die ganze Nacht lang Fragen stellen können, ohne irgend
etwas aus ihm herauszubekommen. Im übrigen interessierten mich seine Antworten sowieso nicht in dem Maße wie mein Entkommen
mit der Präsidententochter. Deshalb ließ ich das Thema fallen.
»Na
gut. Wie komme ich hier hinaus? Sie haben doch wohl keinen zweiten Wagen
bereitgestellt ?«
Er
lächelte trübe. »Leider nicht. Auf diese Chance war ich unvorbereitet .«
»Nicht
so schlimm«, beruhigte ich ihn. »Man kann nicht auf alles vorbereitet sein .« Ich dachte einen Augenblick nach. »Vielleicht sagen Sie
mir nur, wo ich mich befinde. Dann kann
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