Verräterisches Profil
Schlagzeile.
Grausamer Mord hatte die Zeitung reißerisch getitelt. Uhlich dachte an treffendere Worte: Gerechte Strafe . Aber wohl niemand ahnte, wie sehr die Konrads den Tod verdient hatten.
Er las den Artikel zum wiederholten Mal und übersprang nur den Teil, der sich mit Julia beschäftigte. An ihren Tod wollte er nicht erinnert werden.
Plötzlich hörte er, dass die Wohnungstür geöffnet wurde. Rasch legte er den Zeitungsausschnitt zurück in den Karton, den er wieder unters Bett schob. Danach lief er in die Diele, um Thorsten zu begrüßen. Als er diesen lächeln sah, wusste Jan, dass ihm ein schöner Abend bevorstand.
Thorstens feste Stöße taten ein wenig weh. Jedoch nicht so sehr, wie dieses eine Mal, als der Mistkerl in ihn eingedrungen war.
Sein Partner stieß noch einmal zu und Jan fühlte, wie er sich ins Kondom ergoss. Während Wilhelm Konrads tot war, lebte er.
Die Bewegungen von Thorstens Hand wurden schneller und brachten ihn zum Orgasmus. Jan spritzte auf das Bettlaken ab. In Gedanken war er bei den Konrads.
Er lebte.
7
Heimlich beobachte ich sie. Der Vater trägt eine Einkaufstüte der Boutique, aus der sie gerade kommen; die kleine Tochter läuft an der Hand ihrer Mutter neben ihm her. Zielstrebig steuern sie auf den nächsten Laden zu. Soweit ich mich erinnere, hat dieser nur einen Eingang. Ich kann also in Ruhe warten, während sie ihre Einkaufstour fortsetzen. Erregung kocht in mir hoch. Ich habe Witterung aufgenommen, bin erneut auf der Jagd.
Mir nichts anmerken lassend, schlendere ich zu einer nahe gelegenen Sitzbank. Als die Familie in dem Geschäft verschwindet, setze ich mich hin.
Stefan Lessing blieb kurz stehen. Er hatte in der Menge eine Person ausgemacht, bei der seine Alarmglocken klingelten.
Der Mann, dem sein Interesse galt, stand an einem Zeitschriftenregal und blätterte in einer Illustrierten. Lessing beschloss, noch ein paar Meter näher zu treten. Wenn ihm nicht endlich einfiel, woher er ihn kannte, würde er sich darüber stundenlang den Kopf zerbrechen.
Sein Gegenüber steckte die Zeitschrift zurück in den Drehständer. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke. Rasch wandte Lessing die Augen ab. Ihm wurde klar, warum ihm das Gesicht bekannt vorkam. Damit der Mann keinen Verdacht schöpfte, griff Lessing wahllos zum nächstbesten Magazin, das er aus dem Ständer nahm. Er drehte sich um und ging zur Kasse. Unterdessen schaute sich der Typ eine andere Illustrierte an. Offensichtlich hatte er sich bei dem Augenkontakt nichts gedacht.
Nachdem Lessing das Geschäft verlassen hatte, lief er los und angelte sein Handy aus der Hosentasche. Obwohl er das Fahndungsfoto nur ein einziges Mal in der Zeitung gesehen hatte, war er überzeugt, dass es sich bei dem Kerl um den Gesuchten handelte. Mit zittrigen Fingern wählte er die Notrufnummer der Polizei.
»Guten Tag«, meldete er sich nervös. »Mein Name ist Stefan Lessing. Ich befinde mich im Ruhrpark und habe diese Person entdeckt, nach der Sie im Zusammenhang mit dem dreifachen Familienmord fahnden.« Während er der weiblichen Stimme am anderen Ende der Leitung lauschte, dachte er an die Belohnung. Fünftausend Euro waren für sachdienliche Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung des Täters führten. »Ja. Genau. Uwe Michalski. Der auf seiner Flucht einen Polizisten niedergestochen hat. Den meine ich. Ich bin ihm bei Karstadt begegnet.«
***
Aufgeregt beendete Beate das Telefonat. In den letzten vier Wochen waren sie mit den Ermittlungen auf der Stelle getreten. Sowohl Uwe Michalski als auch Jan Uhlich waren unauffindbar geblieben. Doch jetzt schien sich das Blatt zu wenden.
»Ein Passant hat Michalski im Ruhrpark entdeckt«, informierte sie Robert.
»Wann?«
»Gerade eben. Vielleicht kriegen wir ihn noch.«
In weniger als fünfzehn Minuten organisierte Beate zehn Streifenwagen mit je zwei Mann Besatzung, die zum Einkaufszentrum rasten. Auf ihre Anweisung hin wurden sämtliche Ausfahrten abgesperrt und jedes Fahrzeug kontrolliert. Zudem durchquerten vier Teams das Gelände zu Fuß und hielten Ausschau nach dem Verdächtigen.
Drei Stunden später saßen Beate und Robert frustriert in ihrem Dienstwagen. Mittlerweile hatten sie den Einsatz abgebrochen. Wenn Michalski wirklich von dem Zeugen gesehen worden war, dann war er ihnen entwischt.
***
Ich bin ihnen unauffällig gefolgt. Nachdem sie mit einer weiteren vollen Tüte aus dem Geschäft gekommen sind, haben sie eine Eisdiele aufgesucht. Erst
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