Verrat der Welten - Niven, L: Verrat der Welten - Betrayer of Worlds
natürlich nicht sehen konnte. In Echtzeit veränderten sich Farbtöne und Muster der Gw’oth-Haut, und das aus Gründen, die Louis nicht einmal zu erahnen in der Lage war.
»Ein Gw’otesht, Sir«, intonierte Voice. »Genauer gesagt ein Gw’otesht 16er-Verband. In dieser Konfiguration ist das Verstandeskollektiv auf vierdimensionale Simulationen optimiert.«
Voice war die schiffseigene künstliche Intelligenz. Umgeben von all den technologischen Wunderwerken, von Stepperscheiben bis hin zu dem programmierbaren Nanostoff, aus dem Louis’ Overall bestand, war diese KI schlicht eine Anomalie. Nessus hatte eine Pilotenliege in Menschenbauweise an Bord; er hätte demnach auch auf jeder von Menschen besiedelten Welt einen deutlich leistungsfähigeren KonfIdent erstehen können. Hatte er aber nicht. Warum nicht?
Weil echte Feiglinge niemals ihre eigenen potenziellen Nachfolger konstruieren würden. An sich war es schon interessant, dass Nessus überhaupt bereit war, eine KI zu verwenden, selbst wenn sie längst veraltet war ...
Noch ein Rätsel, mit dem man sich irgendwann später beschäftigen könnte, beschloss Louis. »Und die anderen Verbände formen andere Verknüpfungen aus, um für zu bearbeitende Probleme besser geeignet zu sein«, sagte er. »Also wird eine Achtergruppe, in der jeder Gw’o über drei Tubakel mit drei anderen Gw’oth verbunden ist, sich um 3-D-Probleme kümmern. Um statische Modellrechnungen kovalenter Bindungen beispielsweise.«
»Ein 8er-Gw’otesht. In der Tat, Sir.«
Eine abstruse Vorstellung brachte Louis zum Lächeln: Die Manieriertheit seiner Ausdrucksweise musste Voice bei einem britischen Butler gelernt haben. »Bitte nenn mich doch Louis! Und diese biologischen Computer sind für die rasche Entwicklung der Gw’oth verantwortlich?«
»Ja, Louis.«
»Und trotzdem haben sie diese Information nicht geheim gehalten.« Louis stockte und runzelte die Stirn. »Oder doch?«
Eine lange Pause. Beriet sich Voice mit Nessus darüber, welche Informationen er preisgeben durfte? »Im Zuge einer früheren Aufklärungsmission war Zugriff auf das Computernetzwerk der Gw’oth möglich. Dieses Bildmaterial entstammt einem Datenarchiv der Gw’oth.«
Puppenspieler-Spione: Das war nicht überraschend. Aber derartige Aufklärungsmissionen waren doch gewiss riskant. Wie viele Puppenspieler würden ein solches Risiko eingehen?
»War Nessus dabei?«, erkundigte sich Louis.
»Das ist korrekt, Louis.«
»Voice, zeig mir die Berichte über diese Mission!«
Eine weitere Pause. Erneut eine Rücksprache mit Nessus?
»Wie ich sehe, sind Sie beschäftigt.« Nessus stand genau in der Luke zur Brücke, einen Kopf in die Höhe gereckt, einen gesenkt. Hielt er sich bereit, jederzeit und in jede beliebige Richtung zu fliehen?
»Jepp.« Und dir gefällt überhaupt nicht, in welche Richtung meine Überlegungen hier gehen. Warum?
»Wären Sie bereit, eine Pause einzulegen?«, fragte Nessus. »Ich dachte mir, es sei an der Zeit, Ihnen noch ein wenig mehr über die Geschichte Ihrer Familie zu berichten.«
Louis deutete auf die Puppenspieler-Liege. »Ich bin ganz Ohr.«
Nessus’ manisch-depressiver Zyklus hatte ihn dazu gezwungen, sich in seiner Kabine zu verkriechen. Wieder einmal. Hin und wieder reagierte er wenigstens auf Fragen.
Louis, der die Brücke ein weiteres Mal ganz für sich allein hatte, versuchte sich einzureden, er käme mit dieser langen Fahrt besser zurecht als Nessus. Und so machte er sich daran, sich zu entspannen. Er fläzte sich auf die Kopiloten-Liege und nahm einen Schluck aus seiner Quetschflasche. Bei seinen letzten Experimenten, einen anständigen Kaffee zustande zu bringen, hatte er sich auf eine Tansania-Mischung kapriziert. Vor Louis lag ein Notizblock, das oberste Blatt halb mit einfachen Skizzen bedeckt. Dass möglicherweise ein Krieg bevorstand, schien die Gesetze der Physik nicht zu beeindrucken. Ob das allen Beteiligten nun passte oder nicht: Bei der langen Fahrt nach Hearth blieb genug Zeit, sich zu entspannen und zu arbeiten.
Nicht jeder war fähig, sich auf der Brücke eines Raumschiffs zu entspannen. Die wenigsten machten dafür die Geschwindigkeit verantwortlich, die der Hyperantrieb lieferte: Innerhalb von drei Tagen legte man jeweils ein Lichtjahr zurück. Hingegen war der Hyperraum an sich Begründung für Anspannung genug. Denn unmittelbar hinter der Schiffshülle lauerte er, dieses Weniger-als-nichts. Die Instrumente meldeten nicht das Geringste über jenen Raum
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