Verrat der Welten - Niven, L: Verrat der Welten - Betrayer of Worlds
hinter dem Raum. Die Wissenschaft stritt darüber, was der Hyperraum eigentlich war.
Auf Linienschiffen hielten sich die Passagiere an Alkohol, Pillen oder Sex – einfach an alles, was ihnen dabei half, zu vergessen oder zu ignorieren, wo sie sich gerade aufhielten. Oder eben nicht aufhielten. Für diese Situation war selbst die Semantik unzureichend. Hätte man die Displays auf der Brücke so eingestellt, das sie den Nicht-Raum außerhalb des Schiffes gezeigt hätten, so hätten sie weniger als nichts angezeigt. Blinder Fleck nannten erfahrene Raumfahrer dieses Phänomen. Für manch einen, der in den Nicht-Raum geschaut hatte, hatte es gewirkt, als flössen die Wände rings um ein aktives Sichtfenster einfach ineinander. Ihnen war, als würde das Fenster – und das, was es zu zeigen vorgab – überhaupt nicht existieren. Bei den weniger Glücklichen setzte beim Anblick des Hyperraums schlichtweg der Verstand aus. Es waren schon Leute verrückt geworden, die in den Blinden Fleck hineingestarrt hatten. Sie hatten vergessen, wo sie waren – ja sogar: dass sie waren.
Louis hingegen versuchte nur zu vergessen, dass er an Pillen dachte.
Die uralte Spezies der Outsider, denen die Menschen und jede andere bekannte raumfahrende Spezies einst den Hyperraum-Shunt und die zeitverlustlose Hyperwellenkommunikation abgekauft hatten, verkaufte die Theorie ihrer Geräte gesondert von den Geräten selbst. Selbstredend waren die Geräte allein schon kostspielig genug. Die Erklärung, wie sie funktionierten, konnte sich nach einer solchen Anschaffung niemand mehr leisten.
Nur dass das soeben Gesagte jetzt nicht mehr stimmte: Es galt nicht mehr für alle bekannten Spezies. Die Gw’oth hatten die Hyperraum-Technologie anscheinend gänzlich eigenständig entwickelt, allein anhand von Beobachtungen, die sie während der Fahrt zusammentragen konnten. Anscheinend insgeheim. Nessus war nicht gerade mitteilsam, als es um die Frage ging, warum sich überhaupt Gw’oth an Bord eines Puppenspieler-Schiffes befunden hatten.
So viel zur Idee, sich eine Pause von der Arbeit zu gönnen und sich auch nicht mehr so viele Sorgen zu machen.
»Voice«, wandte sich Louis an die KI, »Erklärung fortsetzen.« Ein Holo flammte auf: Text und Bilder wurden im Schnellgang durchgeblättert. Mittels einer knappen Geste konnte Louis den Ablauf des Materials beschleunigen oder verlangsamen. Ein virtueller Doppelklick öffnete zusätzliche Fenster mit weiterführender Information.
Häufiger jedoch führte so ein Doppelklick zu einer kurzen Erklärung durch Voice: »Es ist mir nicht gestattet, weitere Informationen bereitzustellen.« Nessus, bei dem es vielleicht anders gewesen wäre, reagierte nicht auf Anfragen.
Hin und wieder gestattete sich Louis einen kurzen Blick auf die Steuerkonsole des Piloten, genauer gesagt auf die transparente Kugel, von deren Zentrum aus Linien von nicht allzu großer Länge ausgingen. Die Puppenspieler-Variante dieses Geräts unterschied sich nur geringfügig von der, mit der Louis vertraut war. Vielleicht war das Konzept eines Massenanzeigers einfach zu schlicht, um in der Umsetzung mehr als eine Variante zu gestatten.
Jede der vom Zentrum der Kugel ausgehenden Linien verwies auf einen nahe gelegenen Stern. Je länger die Linie war, desto stärker war der Einfluss der Gravitation dieses Himmelskörpers – natürlich immer proportional zu Masse durch Quadrat des Abstand. Im Hyperraum bestand die große Kunst der Navigation darin, dafür zu sorgen, dass die gewünschte Linie immer schön auf einen selbst gerichtet blieb.
Das hätte auch ein dafür ausgebildeter Hund hinbekommen, nur dass der Massenanzeiger ausschließlich auf einen vernunftbegabten Verstand reagierte. Was hieß: KIs konnten einen Massenanzeiger auch nicht bedienen. Selbstverständlich gab es dafür eine Erklärung. Nur verlangten die Outsider dafür ihren Preis – weit jenseits dessen, was irgendjemand zu zahlen bereit gewesen wäre.
Wenn sich die besagte Linie der Oberfläche der Kugel zu sehr annäherte, musste man den Kurs ändern oder in den Einstein-Raum zurückkehren. Soweit man das verstanden hatte, gab es dann, mathematisch bedingt, Probleme mit gravitationsbedingten Singularitäten. Wenn man zu lange wartete, dann ...
Nun, was dann geschah, das war wieder eines dieser Themen, über die sich die »Experten« beständig in den Haaren lagen. Nur bei einem waren sich alle sicher: Wem immer das passierte, wurde nie wieder gesehen.
Genauso, wie
Weitere Kostenlose Bücher