Verrat im Zunfthaus
in wachsame, wissende Gesichter. «Das hätte ich wirklich nicht gedacht, Neklas», wiederholte er und sah Adelina mit neuerwachtem Interesse an. «Ihr scheint mir eine kluge Frau zu sein, und da Ihr zudem Meisterin seid und eine eigene Apotheke führt, müsst Ihr auch überaus geschäftstüchtig sein. Dennoch habt Ihr diesen Tunichtgut geheiratet. Das spricht für Euren Mut und lässt mich hoffen, dass sich hier zwei Herzen gefunden haben.» Er lächelte. «Ist dem so, Meisterin Burka?»
Adelina konnte nicht verhindern, dass eine feine Röte in ihre Wangen kroch. Ringsum war leises Glucksen zu hören, ansonsten hielten sich die Mägde und die Mädchen jedoch zurück, um nicht ein Wort zu verpassen.
Erfreut wanderte Meister Jupps Blick zu Neklas, der dem Ganzen schweigend zugehört hatte und auch jetzt nichts sagte. Der kurze Seitenblick, den er Adelina zuwarf, schien dem Chirurgen jedoch vollauf zu genügen. Entspannt lehnte er sich zurück und griff nach dem Hähnchenschenkel. «Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet», wiederholte er erneut. «Aber es geschehen wohl doch noch Zeichen und Wunder. Das lässt mich umso lieber deinem Vorschlag zustimmen, mit meiner Familie nach Köln zu kommen und hier mit dir gemeinsamzu arbeiten. Ein Haus in der Nähe, das man mieten oder kaufen kann, weißt du nicht zufällig?» Er zuckte mit den Schultern. «Ach was, das lässt sich später auch noch erledigen.» Herzhaft biss er in das zarte Fleisch und kaute genussvoll. «Aber sag, ist Thomasius tatsächlich hier in Köln?»
Neklas hob die Schultern. «Er macht uns seit vergangenem Herbst das Leben schwer. Obwohl er sich schon eine Weile nicht mehr bei uns hat blicken lassen, und daran hat Adelina auch nicht unwesentlichen Anteil. Anscheinend sind ihm einige seiner Anschuldigungen und Anklagepunkte abhandengekommen.»
«Sind sie das?» Meister Jupp hob überrascht die Brauen. «Wie konnte das geschehen?»
«Das ist eine lange Geschichte», antwortete Adelina. «Sie beginnt mit einem Mord im Dirnenhaus auf dem Berlich und endet mit einigen sehr unschönen Erlebnissen, die ich euch irgendwann erzählen werde, jedoch ungern beim Essen. Bruder Thomasius müssen die Ereignisse jedoch wohl ziemlich zugesetzt haben, da er einsehen musste, dass Neklas ganz und gar nicht in das Bild passen wollte, das er überall zu verbreiten versuchte. Wie gesagt, seither hält er sich zurück. Oder aber er wetzt nur seine Zunge und plant einen vernichtenden Gegenschlag.»
«Könnte sein, sollten wir aber lieber nicht hoffen», meinte Meister Jupp und trank einen Schluck Bier. «Also wechseln wir lieber das Thema. Ich würde zu gerne deinen Sohn sehen, Neklas, doch damit werde ich mich wohl bis morgen gedulden müssen?»
«Er schläft nebenan», bestätigte Adelina. «Es ist jedoch möglich, dass er noch einmal aufwacht und Hunger hat. Ansonsten möchte ich ihn nicht stören.»
«Schläft er bei seiner Amme?», hakte der Chirurg verwundert nach. «Würde sie ihn denn, wenn er aufwacht, hereinbringen?»
Adelina schüttelte lächelnd den Kopf. «Er hat keine Amme.»
«Nicht?» Nun war der Meister Jupp tatsächlich überrascht. «Wollt Ihr sagen, Ihr nährt ihn selbst?»
«So ungewöhnlich ist das nun auch wieder nicht», meinte Neklas.
Doch Meister Jupp war anderer Ansicht. «In bürgerlichen Kreisen sogar sehr ungewöhnlich. Familien, die etwas auf sich halten … Ich kenne jedenfalls keine …» Er hielt inne. «Warum nährt Ihr ihn selbst, Frau Adelina?»
«Nun, das kann ich Euch sagen.» Adelina sah ihm fest in die Augen. «Allgemein behauptet man doch, dass ein Kind mit der Milch auch die Eigenschaften der Amme aufnimmt, nicht wahr? Ich habe schon viele Ammen kennengelernt, Meister Jupp. Und nicht eine war dabei, deren Eigenschaften ich gerne bei meinem Sohn wiedererkennen möchte.»
«Aha.» Die Antwort schien Meister Jupp zu gefallen, denn er nickte zustimmend. «Also hofft Ihr, Eurem Sohn vor allem Eure Eigenschaften mitzugeben.» Nun grinste er wieder. «Ich hoffe, das wird den kleinen Colin einmal zu einem vernünftigeren Mann heranwachsen lassen, als es sein Vater ist.»
Diesmal grinste Neklas zurück. «Ich will doch hoffen, dass er auch etwas von mir mitbekommen hat. Obwohl man fürchten muss, dass uns diese Mischung von Eigenschaften einen nicht ganz unproblematischen Charakter bescheren wird.»
«Vermutlich», stimmte der Chirurg lachend zu. «Abermanches überspringt ja auch eine Generation, nicht wahr? Und nun erzähl
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