Verrat in Freistatt
versucht wäre, glaube ich nicht, daß noch etwas übrig ist.«
»Tempus besorgte eine Auslese für Euch. Die klügeren sind in Sicherheit, daran zweifle ich nicht. Sie haben gehört, daß Jubal nicht tot ist, und sie warten auf seine Rückkehr - nur wissen sie nicht alles.«
Aus Balustrus’ Ton sprach eine ungute Vertraulichkeit, die Walegrin wachsam machte. Er hatte dem Metallmeister nie ganz getraut, und er traute ihm noch weniger, wenn er in Rätseln sprach.
»Ich war nicht immer Balustrus. Einst nannte man mich den Grauwolf. Erst fünfundzwanzig Jahre sind es her, da führte ich die Reichslegionen in die Berge und brach den letzten Widerstand der Ilsiger. Das konnte ich, weil ich in diesen Bergen geboren und aufgewachsen bin. Das Blut von Königen und Zauberern fließt durch meine Adern, oder tat es zumindest, Aber mir war klargeworden, daß die Tage der Könige vorbei und die des Reichs gekommen waren. Ich vernichtete mein eigenes Volk, weil ich Ruhm und Ehre unter den Eroberern erhoffte ...«
Walegrin räusperte sich laut. Es gab keinen Reichsbürger, der nicht schon vom Grauwolf gehört hatte. Damals ein junger Mann, in Tierfellen gekleidet, der trotz seiner Windervergangenheit als Held in Ranke gefeiert wurde - und der auf tragische Weise durch einen Sturz vom Pferd ums Leben gekommen war. Die ganze Hauptstadt hatte sich zu seiner Bestattung eingefunden.
»Vielleicht waren meine Freunde in Ranke die Väter Eurer Freunde«, sagte Balustrus in Walegrins ungläubiges Gesicht. »Ich durfte bei meiner eigenen Beerdigung zuschauen, von den Gladiatorenrängen aus, wohin man mich betäubt, nackt und gebrandmarkt hingebracht hatte, um zu sterben oder meinen ehemaligen Freunden zu mehr Geld zu verhelfen.« Er lachte bitter. »Ich war keiner von den üblichen rankanischen Generälen, das hatten sie vergessen. Ich konnte kämpfen, aber auch Waffen schmieden, wie sie nie bessere gesehen hatten. Von meinem verratenen Volk habe ich gelernt, mit Metall umzugehen.«
»Und Jubal - was hat er damit zu tun?« fragte Walegrin schließlich.
»Er kam später. Ich hatte so oft gekämpft und getötet, daß meine Besitzer mich nicht mehr einsetzten, und dann kaufte der Kaiser mich höchstpersönlich -Kittycats Vater. Ich bildete die neuen Sklaven aus, und Jubal war einer von ihnen. Er schien zum Gladiator geradezu geboren zu sein. Ich lehrte ihn jeden Trick, den ich kannte. Er war für mich wie ein Sohn.
Ich sah, welche Summen jedesmal den Besitzer wechselten, wenn er kämpfte. Bald gehörten wir beide dem Kaiser. Wir tranken zusammen, hurten zusammen - das Leben eines erfolgreichen Gladiators ist gar nicht so übel, wenn einen das Brandzeichen und der Eisenkragen nicht stören. Ich erzählte ihm die Wahrheit über mich.
Zwei Tage später stand ich in der Arena, um gegen ihn zu kämpfen. Ich hatte seit fünf Jahren nicht mehr gekämpft, und selbst damals wäre ich ihm unterlegen gewesen. Wir kämpften mit Streitkeule und Kette - es war seine Waffenwahl. Schon mit dem zweiten Schwung traf er meine Beine. Das hatte ich erwartet, aber ich hatte auch einen schnellen, gnädigen Tod erwartet. Ich dachte noch, wir wären beide Sklaven, Gleichgestellte und Freunde. Er sagte: >Eine abgekartete Sache!< Dabei deutete er auf den kaiserlichen Balkon und schlug wieder nach meinen Beinen.
Das war im Sommer gewesen. Im Winter öffnete ich meine Augen wieder. Ein lizerenischer Heiler stand neben mir und beglückwünschte sich zu meiner Wiederherstellung. Aber ich war - das geworden!«
Der Metallmeister riß seinen Kittel hoch und entblößte das, was aus seinen Beinen geworden war. Der Mondschein milderte das Grauen, trotzdem konnte Walegrin allzu deutlich die verdrehten Reste von Muskeln erkennen, die offenen Knochen, die rauhen Verdickungen, die einst Knie gewesen waren. Er schaute weg, noch ehe Balustrus den Kittel wieder darüberzog.
»Der Lizerener sagte, er sei mit Gold bezahlt worden. Ich kehrte langsam in die Hauptstadt zurück, wie Ihr Euch vorstellen könnt, und schmerzvoll, wie ihr Euch nicht vorstellen könnt. Jubal hatte am Tage nach dem Kampf seine Freiheit erhalten. Jahre suchte ich ihn und fand ihn schließlich in Abwind, gut geschützt von seinen >Falkenmasken<. Ich konnte ihm nicht angemessen für mein Leben danken, so wurde ich zu Balustrus, seinem Freund. Ich schmiedete ihm seine Schwerter und Masken.
Jubal hatte Feinde, die meisten fähiger als ich. Ich befürchtete, jemand würde mir die Rache abnehmen und sein Tod
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