Verrat in Paris
hat.«
Langsam schaute Beryl zu ihm hinüber. Die Vorsicht und das Misstrauen in ihrem Blick erweckten in ihm den Wunsch, ihr Vertrauen zu erlangen. Doch so weit war sie noch nicht, dass sie ihm vertrauen würde. Vielleicht würde sie nie so weit sein.
»Wenn er sie nicht erschossen hat«, fragte sie, »wer war es dann?«
Richard ging auf sie zu. Sanft streichelte er ihr Gesicht.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber ich werde dir helfen, es herauszufinden.«
Nachdem Richard gegangen war, wandte sich Beryl ihrem Bruder zu. »Ich traue ihm nicht«, sagte sie. »Er hat uns zu oft angelogen.«
»Er hat uns nicht wirklich angelogen«, stellte Jordan fest. »Er hat nur ein paar Tatsachen verschwiegen.«
»Oh, natürlich. Zufälligerweise hat er uns verschwiegen, dass er Mum und Dad kannte. Und dass er in Paris war, als sie starben. Jordie, er könnte es selbst gewesen sein!«
»Er scheint ziemlich gut mit Daumier befreundet zu sein.«
»Ja und?«
»Onkel Hugh vertraut Daumier.«
»Und das heißt, dass wir Richard Wolf trauen müssen?«
Sie schüttelte den Kopf und lachte. »Du bist wohl doch etwas erschöpfter, als du denkst.«
»Und du bist wohl doch verknallter, als du denkst«, konterte er. Gähnend machte er sich auf den Weg in sein eigenes Zimmer.
»Was soll denn das heißen?« wollte sie wissen.
»Nur, dass deine Gefühle für diesen Mann offensichtlich immer stärker werden. Oder warum kämpfst du die ganze Zeit gegen ihn an?«
Sie folgte ihm zur Verbindungstür. »Immer stärker werden?« fragte sie ungläubig.
»Siehst du?« Er schnaufte ein paarmal laut und grinste. »Träum süß, Schwesterlein. Schön, dass du wieder mit im Spiel bist.«
Dann schloss er die Tür.
Als Richard in Daumiers Wohnung ankam, war der Franzose noch wach, aber er trug schon seinen Morgenmantel und Pantoffeln. Die neuesten Erkenntnisse über den Anschlag auf das Haus der St. Pierres lagen auf dem Küchentisch, daneben standen ein Teller mit Würstchen und ein Glas Milch. Auch vierzig Jahre beim französischen Geheimdienst hatten nichts an seiner Gewohnheit geändert, in der Nähe des Kühlschranks zu arbeiten.
Daumier zeigte auf die Papiere: »Mir ist das ein Rätsel. Eine Semtex-Bombe explodierte unter dem Bett. Die Zeitschaltuhr war auf 21.10 Uhr eingestellt – zu der Zeit läuft Marie St. Pierres Lieblingssendung im Fernsehen. Man hat den Eindruck, es war ein Insider am Werk. Nur hat er einen Fehler gemacht – Philippe war in England.« Er sah Richard an. »Das ist doch ein unmöglicher Patzer.«
»Terroristen sind normalerweise schlauer«, pflichtete Richard ihm bei. »Vielleicht war es als Warnung gemeint. Ein subtiler kleiner Hinweis. So was wie ›Wir kriegen dich, wenn wir wollen.‹«
»Mir liegt immer noch keine Information zu dieser Liga der ›Kosmischen Solidarität‹ vor.« Müde fuhr sich Daumier mit den Fingern durchs Haar. »Die Untersuchung hat bislang zu keinem Ergebnis geführt.«
»Dann kannst du dich vielleicht kurz meinem kleinen Problem zuwenden.«
»Deinem Problem? Ach ja, die Tavistocks.« Daumier lehnte sich zurück und sah ihn an. »Man hört, du kommst sehr gut mit Hughs Nichte zurecht?«
»Heute Abend hat uns jemand verfolgt«, sagte Richard, »der nicht deine Agentin Colette war. Kannst du herausfinden, wer es war?«
»Dazu brauche ich Anhaltspunkte«, erwiderte Daumier.
»Ein Mann mittleren Alters, klein und stämmig – das sagt mir nichts. Jeder könnte ihn engagiert haben.«
»Es muss jemand gewesen sein, der weiß, dass sie in Paris sind.«
»Hugh hat die Vanes darüber informiert. Vielleicht haben sie es ja jemandem erzählt. Wer war sonst noch in Chetwynd?«
Richard vergegenwärtigte sich den Abend des Empfangs und Reggies Indiskretion. Dieser verdammte Reggie Vane und seine Schwäche für Alkohol. Er war an allem schuld. Ein paar Gläser Champagner zu viel, und schon löste sich seine Zunge. Trotzdem konnte er Reggie gut leiden. Eigentlich war er harmlos; und mit Sicherheit hatte er Beryl nicht verletzen wollen. Fast könnte man sagen, dass er väterliche Gefühle für sie hatte.
Richard sagte: »Die Vanes hätten es allen möglichen Leuten erzählen können. Philippe St. Pierre. Nina und Anthony Sutherland. Wer weiß, wem.«
»Also sprechen wir von einer unbekannten Anzahl«, seufzte Daumier.
»Die Liste ist nicht gerade kurz«, musste Richard zugeben.
»Ist diese ganze Aktion wirklich eine gute Idee, Richard?« fragte Daumier. »Immerhin hat man damals
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