Verrat in Paris
war alles gut gelaufen. Nachdem Beryl und Richard weggegangen waren, hatte er das Hotelzimmer auf der Suche nach einer netten Kneipe verlassen. Er spazierte über den Place Vendôme, schaute in der Olympia Music Hall vorbei, nahm einen Mitternachtssnack im Café de la Paix – das war doch ein guter erster Abend in Paris!
Aber vielleicht sollte er langsam zu Bett gehen.
Er trank seinen Cappuccino aus, bezahlte und ging in Richtung Rue de la Paix. Nach einem halben Block bemerkte er, dass die Frau in Schwarz ihm folgte.
Er war vor einem Schaufenster stehen geblieben und sah sich Herrenanzüge an, als sich im Schaufenster ein blonder Haarschopf spiegelte. Er drehte sich um und sah sie auf der anderen Straßenseite. Auch sie betrachtete höchst interessiert eine Schaufensterauslage – die eines Wäschegeschäfts, wie er feststellte. Nach ihrem gesamten Outfit zu schließen, trug sie wahrscheinlich auch schwarze Unterwäsche.
Jordan setzte seinen Weg fort.
Auf der anderen Straßenseite folgte ihm die Frau.
Wie blöd, dachte er. Wenn sie flirten will, soll sie herkommen und mich ansprechen. Mit einer direkten Anmache könnte er umgehen. So was war ehrlich, und ehrliche Frauen mochte er. Aber dieses Versteckspiel nervte ihn.
Er ging einen halben Block weiter. Sie auch.
Er blieb stehen und tat so, als würde erneut ein Schaufenster seine volle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie tat es ihm gleich. Das ist doch lächerlich, befand er. Ich habe jetzt von diesem Quatsch die Nase voll.
Er ging über die Straße und direkt auf sie zu.
»Mademoiselle?« sagte er.
Sie drehte sich um und sah ihn überrascht an. Offensichtlich hatte sie damit nicht gerechnet.
»Mademoiselle«, wiederholte er. »Darf ich fragen, warum Sie mir folgen?«
Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und starrte ihn mit ihren großen grauen Augen an. Mit ziemlich hübschen Augen, wie er fand.
»Vielleicht verstehen Sie mich nicht?
Parlez-vous anglais?
«
»Ja«, murmelte sie. »Ich spreche Englisch.«
»Dann können Sie mir sicher verraten, warum Sie mich verfolgen.«
»Ich verfolge Sie nicht.«
»Doch, das tun Sie.«
»Das stimmt nicht!« Sie blickte die Straße rauf und runter. »Ich gehe spazieren. So wie Sie.«
»Sie folgen mir auf Schritt und Tritt. Sie bleiben stehen, wenn ich stehen bleibe, und Sie beobachten mich.«
»Das ist ja absurd!« Wütend funkelte sie ihn an. Gespielt oder echt? Er war sich nicht sicher. »Ich habe nicht das geringste Interesse an Ihnen, Monsieur! Das bilden Sie sich ein!«
»Ach ja?«
Statt einer Antwort drehte sie sich um und stolzierte die Rue de la Paix hinunter.
»Das glaube ich nicht!« rief er ihr hinterher.
»Ihr Engländer seid alle gleich!« schimpfte sie ihn über die Schulter an.
Jordan sah ihr nach, als sie davonstürmte und fragte sich, ob er vielleicht wirklich falsche Schlüsse gezogen hatte. Wenn ja, hatte er sich gerade zum Idioten gemacht! Die Frau bog um eine Ecke und verschwand, und er empfand einen kurzen Moment lang Bedauern. Immerhin war sie recht attraktiv gewesen. Große graue Augen, unglaublich schöne Beine.
Aber was soll’s.
Er drehte sich um und setzte seinen Weg zum Hotel fort. Als er die Lobby des Ritz betreten wollte, brachte ihn eine Art siebter Sinn dazu, stehen zu bleiben und sich umzudrehen. In einem Hauseingang bemerkte er eine schnelle Bewegung, und er erhaschte einen Blick auf blonde Haare, die gerade im Dunkel verschwanden. Sie folgte ihm also immer noch.
Daumier nahm nach dem fünften Klingeln den Hörer ab. »Hallo?«
»Claude, ich bin’s«, sagte Richard. »Lässt du uns verfolgen?«
Eine kleine Pause, dann antwortete Daumier: »Eine reine Vorsichtsmaßnahme, mein Freund. Sonst nichts.«
»Zu unserem Schutz oder zu unserer Beobachtung?«
»Natürlich zu eurem Schutz! Ein Gefallen für Hugh –«
»Na super! Wir haben uns zu Tode erschreckt! Du hättest mir wenigstens Bescheid sagen können.« Richard sah Beryl an, die nervös im Zimmer auf und ab lief. Sie würde es nicht zugeben, aber sie hatte Angst, und sie war froh, dass er trotz all ihrer Versuche, ihn rauszuschmeißen, geblieben war. »Noch was«, fuhr er, zu Daumier gewandt, fort. »Jordan ist uns abhanden gekommen.«
»Abhanden gekommen?«
»Er ist nicht in seinem Zimmer. Wir ließen ihn vor ein paar Stunden hier zurück, seitdem ist er verschwunden.«
Einen Moment war es still. »Das ist bedenklich«, befand Daumier.
»Wissen deine Leute, wo er ist?«
»Meine Agentin hat sich noch
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