Verrat in Paris
machte mehr als deutlich, dass von Aufmunterung bislang keine Rede sein konnte.
»Was ist nur los in dieser Welt?« fragte Nina und balancierte vorsichtig ihre Teetasse. »Überall nur noch Wahnsinn und Anarchie! Nicht einmal in der Upper Class bleibt man davor verschont.«
»Gerade nicht in der Upper Class«, sagte Helena.
»Haben die Untersuchungen schon etwas Neues ergeben?« erkundigte sich Beryl.
Marie St. Pierre seufzte. »Sie bestehen darauf, dass es ein terroristischer Anschlag war.«
»Aber natürlich«, sagte Nina. »Wer sonst sollte das Haus eines Politikers in die Luft jagen wollen?«
Marie senkte den Blick. Sie schaute auf ihre Hände, die knochigen Finger, die verschränkt in ihrem Schoß lagen. »Ich habe Philippe vorgeschlagen, dass wir Paris für eine Weile verlassen sollten. Vielleicht schon heute Abend, wenn ich entlassen werde. Wir könnten in die Schweiz fahren …«
»Eine ausgezeichnete Idee«, murmelte Helena beipflichtend. Sie drückte Marie die Hand. »Ihr müsst mal raus, nur ihr beide.«
»Aber wenn ihr die Flucht ergreift«, warf Nina ein, »denken die Terroristen, sie haben gewonnen.«
»Du kannst das leicht sagen«, erwiderte Helena. »In deinem Haus wurde ja auch keine Bombe gelegt.«
»Dann würde ich gerade in Paris bleiben«, gab Nina zurück. »Keinen Zentimeter würde ich …«
»Musst du ja auch nicht.«
»Was?« Helena sah weg. »Nichts.«
»Wovon sprichst du, Helena?«
»Ich denke nur«, sagte Helena, »dass Marie das tun soll, was sie für richtig hält. Eine Weile aus Paris wegzugehen ist doch sinnvoll. Dazu würde jede Freundin ihr raten.«
»Ich
bin
ihre Freundin.«
»Ja«, murmelte Helena, »natürlich.«
»Hast du gerade was anderes unterstellt?«
»Nein, habe ich nicht.«
»Was murmelst du dauernd vor dich hin, Helena? Das macht mich ganz verrückt. Ist es so schwer, die Dinge offen auszusprechen?«
»Bitte!« stöhnte Marie.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihren Streit. Ninas Sohn Anthony kam herein. Wie immer trug er ein extravagantes Hemd, diesmal in Stahlblau, und eine Lederjacke.
»Bist du fertig, Mum?« fragte er Nina.
Sofort stand Nina auf. »Mehr als das«, antwortete sie in einem beleidigten Tonfall und ging in Richtung Tür. Dort blieb sie kurz stehen und sah Marie noch einmal an. »Ich spreche als Freundin«, sagte sie. »Ich finde, ihr solltet in Paris bleiben.« Sie nahm Anthonys Arm und rauschte ab.
»Um Himmels willen, Marie«, murmelte Helena nach einer Weile. »Warum gibst du dich noch mit dieser Frau ab?«
Marie sah winzig aus in ihrem Bett. Sie zuckte die Schultern. Sie sind sich beide so gleich, dachte Beryl und verglich Marie St. Pierre und Helena. Beide sind keine Schönheiten, beide sind schon etwas älter und mit Männern verheiratet, die sich nicht mehr für sie interessieren.
»Ich finde, du bist eine Heilige, dass du diese Schlampe überhaupt reingelassen hast«, sagte Helena. »Wenn es nach mir ginge …«
»Man muss ja friedlich sein«, sagte Marie nur.
Sie versuchten, sich zu viert weiter zu unterhalten, aber immer wieder entstanden lange Pausen. Und über all den Gesprächen über die Explosion und die ruinierten Möbel, über die zerstörten Kunstgegenstände und beschädigten Familienerbstücke schwebte etwas anderes, etwas Unausgesprochenes. Dass es zusätzlich zu den materiellen Verlusten noch einen Verlust gab, der schwerer wog. Man musste Marie St. Pierre nur in die Augen sehen, um zu wissen, dass ihr Leben zerstört war.
Selbst als ihr Mann Philippe auftauchte, wurde Marie nicht munterer. Vielmehr schien sie vor seinem Kuss zurückzuweichen. Sie wandte das Gesicht ab und sah zur Tür, die sich erneut öffnete.
Claude Daumier kam herein, sah Beryl und blieb überrascht stehen. »Sie sind hier?«
»Wir haben auf Sie gewartet«, sagte Beryl.
Daumier sah Richard an, dann wieder Beryl. »Ich habe euch schon gesucht.«
»Was ist denn los?« fragte Richard.
»Die Sache ist … etwas delikat.« Daumier bedeutete ihnen, ihm zu folgen. »Es wäre am besten«, sagte er, »wenn wir das unter uns besprechen.«
Sie folgten ihm hinaus auf den Gang und gingen an der Schwesternstation vorbei. In einer ruhigen Ecke blieb Daumier stehen und wandte sich Richard zu.
»Gerade hat mich die Polizei angerufen. Man hat Colette tot in ihrem Wagen gefunden. Nahe dem Place Vendôme.«
»Colette?« sagte Beryl. »Die Agentin, die Jordan beschattete?«
Daumier nickte grimmig.
»Oh Gott«, murmelte Beryl. »Jordie
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