Verrat in Paris
Jahre zurückliegender Mordfall heute noch jemandem gefährlich werden kann.«
»Es ging um mehr als nur um Mord«, gab Beryl zu bedenken.
»Auch um Spionage.«
»Die Sache mit dem NATO-Leck«, sagte Reggie zu Helena.
»Du erinnerst dich, Hugh hat uns davon erzählt.«
»Oh ja. Delphi.« Helena sah Richard an. »Der MI 6 hat ihn nie wirklich identifiziert, oder?«
»Sie hatten eine Vermutung«, antwortete Richard.
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»Ich selbst habe mich gefragt«, sagte Helena und nahm sich ein Biskuit, »ob es nicht Botschafter Sutherland war. Schließlich hat er kurz nach dem Tod von Madeline und Bernard
Selbstmord begangen.«
Richard nickte. »Da denken Sie und ich in dieselbe Richtung, Lady Helena.«
»Obwohl er natürlich auch andere Gründe gehabt haben könnte, um von dieser Brücke zu springen. Wenn ich mit Nina verheiratet wäre, hätte ich mich auch schon lange umgebracht.«
Helena biss energisch in ihr Biskuit – wie um zu zeigen, dass auch unscheinbare Frauen nicht unbedingt kraftlos sein müssen.
Reggie klopfte seine Pfeife aus und sagte: »Darüber sollten wir nicht spekulieren.«
»Aber man macht sich schon seine Gedanken, oder etwa nicht?«
Als Reggie seine Gäste zur Haustür brachte, war es schon lange dunkel. Für die Jahreszeit war die Nacht zu kalt und zu feucht. Selbst die hohen Mauern um das Anwesen der Vanes konnten das Gefühl der Bedrohung nicht fern halten, das an jenem Abend in der Luft lag.
»Ich verspreche dir«, sagte Reggie, »dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht.«
»Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll«, murmelte Beryl.
»Schenk mir ein Lächeln, meine Liebe. Ja, so ist es recht.«
Reggie zog sie an den Schultern zu sich und küsste sie auf die Stirn. »Du wirst deiner Mutter von Tag zu Tag ähnlicher. Ein größeres Kompliment kann ich dir nicht machen, finde ich.« Er wandte sich an Richard. »Du kümmerst dich um sie?«
»Ich verspreche es«, versicherte Richard.
»Gut. Denn sie ist alles, was wir noch haben.« Traurig tätschelte er Beryls Wange. »Alles, was wir noch von Madeline haben.«
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»Waren die beiden schon immer so zueinander?« fragte Beryl.
»Reggie und Helena?«
Richard hatte den Blick auf die Straße gerichtet. »Wie meinst du das?«
»Dass sie so lieblos miteinander umgehen. Sich gegenseitig niedermachen.«
Er lachte in sich hinein. »Ich bin so daran gewöhnt, dass mir das schon gar nicht mehr auffällt. Ja, ich glaube, das war schon so, als ich sie vor zwanzig Jahren kennen gelernt habe. Ich denke, es hat was damit zu tun, dass er was gegen Helenas Geld hat. Kein Mann fühlt sich gerne ausgehalten.«
»Nein«, sagte sie leise und richtete den Blick nach vorn. »Ich schätze, das mag kein Mann gern.« Wäre es auch bei uns beiden so, fragte sie sich. Würde er mir mein Vermögen vorhalten?
Würde diese Abneigung sich über die Jahre so steigern, dass wir wie Reggie und Helena enden würden, deren gemeinsames Leben die Hölle ist?
»Außerdem kommt dazu«, fuhr Richard fort, »dass Reggie Paris nie gemocht hat und auch nie gerne bei der Bank war.
Helena hat ihn bequatscht, diese Stelle anzunehmen.«
»Aber ihr scheint es hier doch auch nicht gerade gut zu gefallen.«
»Nein. Und deshalb keifen sie sich immer an. Ich erinnere mich an Partys, auf denen sie waren und auf denen auch deine Eltern waren. Das war ein Gegensatz wie Tag und Nacht.
Bernard und Madeline wirkten immer wie frisch verliebt.
Andererseits musste sich jeder Mann zumindest ein bisschen in deine Mutter verlieben. Es ging gar nicht anders.«
»Was war denn so besonders an ihr?« fragte Beryl. »Du hast mal gesagt, dass sie … bezaubernd war.«
»Als ich sie kennen lernte, war sie schon Ende dreißig. Sie 120
hatte hier und da ein graues Haar und ein paar Lachfältchen.
Aber sie war faszinierender als jede Zwanzigjährige, die ich kannte. Es überraschte mich sehr zu hören, dass sie gar nicht von Geburt an adelig war.«
»Sie stammte aus Cornwall. Spanische Vorfahren. Dad traf sie eines Sommers, als er dort Urlaub machte.« Beryl lächelte. »Er sagte, dass sie ihn bei einem Wettlauf besiegte, noch dazu barfuß. Und da wusste er, dass sie die Richtige für ihn war.«
»Sie passten in jeder Hinsicht gut zusammen. Ich vermute, das faszinierte mich so an den beiden – ihr Glücklichsein. Meine Eltern hatten sich scheiden lassen. Es war eine ziemlich unschöne Trennung, und seitdem habe ich keine besonders hohe Meinung von der Ehe. Aber bei deinen
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