Verrat in Paris
ihr jetzt schützend seine Hände auf die Schultern legte. Wie sehr ich plötzlich von ihm abhängig bin, dachte sie. Er ist ein Mann, dem ich nicht trauen sollte, und ich tue es trotzdem.
Reggie sah Richard an. »Was ist mit dem Geheimdienst?«
erkundigte er sich. »Gibt’s schon was Neues?«
»Der französische Geheimdienst arbeitet mit der Polizei zusammen. Sie nehmen die ballistische Untersuchung an der Waffe selbst vor. Man hat keine Fingerabdrücke darauf gefunden. Dank der Tatsache, dass er Lord Lovats Neffe ist, wird die Sache bevorzugt behandelt. Aber es ist nun mal eine Mordanklage, und das Opfer ist eine Französin. Wenn die Presse davon Wind bekommt, werden sie es so darstellen, als ob das verwöhnte junge Bürschchen aus England mit seinen
Beziehungen einer Anklage entkommen will.«
»Und gegen uns Briten haben sie sowieso etwas«, sagte Reggie. »Nach dreißig Jahren in Frankreich weiß ich, wovon ich rede. Ich sag’s euch, sobald mein Jahr bei der Bank abgelaufen ist, gehe ich zurück nach Hause.« Sein Blick wanderte sehnsüchtig zu dem Gemälde über dem Kamin. Es zeigte ein Landhaus, das von blauen Glyzinienblüten umrankt war.
»Helena hasste Cornwall – sie fand das Haus zu primitiv. Aber für meine Eltern reichte es, und für mich reicht es auch.« Er sah Beryl an. »Es ist schrecklich, so weit weg von zu Hause Ärger zu haben. Da merkt man erst, wie verwundbar man ist. Und daran ändert weder eine gute Herkunft noch Geld etwas.«
»Ich habe Beryl gesagt, sie soll nach Hause fahren«, sagte Richard.
Reggie nickte. »Der Meinung bin ich auch.«
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»Das kann ich nicht«, erwiderte Beryl. »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.«
»Du wärst zumindest eine lebendige Ratte«, entgegnete Richard.
Verärgert löste sie sich aus seinem Griff. »Aber immer noch eine Ratte.«
Reggie nahm ihre Hand. »Beryl«, sagte er leise, »hör zu. Ich war der älteste Freund deiner Mutter – wir sind zusammen aufgewachsen. Daher empfinde ich eine besondere
Verantwortung für dich. Du glaubst nicht, wie weh es mir tut, eins von Madelines Kindern in einer so schrecklichen Klemme zu sehen. Es ist schon schlimm genug, dass Jordan in der Patsche sitzt. Ich will mir nicht auch noch Sorgen um dich machen müssen …« Er drückte ihre Hand. »Hör auf Mr. Wolf.
Er ist ein feinfühliger Mensch. Du kannst ihm vertrauen.«
Du kannst ihm vertrauen. Beryl spürte Richards Blick, er war so intensiv wie eine Berührung, und ihre Wirbelsäule spannte sich an. Sie konzentrierte sich auf Reggie. Der liebe Reggie, dessen frühere Freundschaft mit Madeline ihn fast zu einem Familienmitglied machte.
Sie sagte: »Ich weiß, du willst nur das Beste für mich, Reggie, aber ich kann jetzt nicht aus Paris weg.«
Die beiden Männer sahen sich an und wechselten enttäuschte Blicke. Aber überrascht waren sie nicht. Schließlich hatten sie beide Madeline gekannt; von ihrer Tochter war dieselbe Sturheit zu erwarten.
Es klopfte an die Tür des Arbeitszimmers. Helena steckte den Kopf herein. »Darf ich reinkommen?«
»Natürlich«, antwortete Beryl.
Helena betrat den Raum. Sie hatte ein Tablett mit Tee und Biskuits dabei, das sie auf dem Beistelltisch abstellte.
»Ich frage lieber vorher«, sagte sie mit einem Lächeln und 117
goss vier Tassen ein, »bevor ich in Reggies Reich eindringe.«
Sie gab Beryl eine Tasse. »Sind wir denn schon weitergekommen?«
Als Antwort erntete sie Schweigen. Ihr war klar, was das bedeutete, und sie sah Beryl bedauernd an. »Oh Beryl. Es tut mir so Leid. Und du kannst wirklich gar nichts tun, Reggie?«
»Ich tue es bereits«, sagte Reggie sichtlich genervt. Er drehte ihr den Rücken zu, nahm eine Pfeife vom Kaminsims und steckte sie sich an. Einen Moment lang war nur das Klappern der Teetassen auf den Untertellern zu hören und das sanfte Schmatzen von Reggie, der an seiner Pfeife sog.
»Reggie?« versuchte es Helena noch einmal. »Einen Anwalt anzurufen ist lediglich eine Reaktion. Wie wäre es mit einer Aktion? «
»Zum Beispiel?« fragte Richard.
»Na ja, das Verbrechen an sich. Wir wissen alle, dass Jordan es nicht gewesen sein kann. Wer war es dann?«
Reggie seufzte vernehmlich. »Du bist wohl kaum als
Kriminalkommissar geeignet.«
»Trotzdem muss diese Frage beantwortet werden. Die junge Frau wurde ermordet, während sie Jordan beschützen sollte. Das hat doch alles damit zu tun, dass Jordan überhaupt in Paris ist.
Mir will nur nicht in den Kopf, warum ein zwanzig
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