Verrat in Paris
will man mich töten?« fragte Beryl. »Was habe ich getan?«
»Du hast zu viele Fragen gestellt.« Richard wandte sich Daumier zu. »Du hattest Recht, Claude. Die Sache ist noch lange nicht erledigt.«
»Wir waren beide im Zimmer«, wandte Beryl ein. »Woher willst du wissen, dass ich gemeint war?«
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»Weil nicht ich am Fenster vorbeigegangen bin.«
»Aber du bist beim CIA.«
»Die korrekte Bezeichnung lautet: Du warst beim CIA. Ich bin für niemanden eine Bedrohung.«
»Aber ich etwa?«
»Ja. Schon wegen deines Namens – von deiner Neugier mal ganz abgesehen.« Er sah Daumier an. »Wir brauchen eine sichere Unterkunft, Claude. Kannst du dich darum kümmern?«
»Wir haben in Passy ein Apartment für Zeugen, die beschützt werden müssen. Das könnt ihr benutzen.«
»Wer weiß davon?«
»Meine Leute. Und ein paar Beamte aus dem Ministerium.«
»Das sind zu viele.«
»Was anderes kann ich euch nicht anbieten. Die Wohnung ist mit einer Alarmanlage ausgestattet, und ich kann Wachen abstellen.«
Richard überlegte kurz und wog die Risiken gegeneinander ab.
Schließlich nickte er. »Für heute Nacht wird das reichen.
Morgen müssen wir uns etwas anderes überlegen. Vielleicht ein Flugticket.« Er sah Beryl an.
Diesmal protestierte sie nicht. Sie spürte, wie das Adrenalin sich langsam abbaute. Gerade eben hatte sie noch völlig unter Strom gestanden; jetzt erschien ihr ein Flugzeug nach Hause wie eine vernünftige Alternative. Ein kurzer Flug über den Ärmelkanal, und schon wäre sie sicher in Chetwynd. Die Versuchung war groß – es klang alles so einfach.
Und sie war so unheimlich müde.
Abwesend hörte Beryl zu, wie Daumier die nötigen Anrufe erledigte. Schließlich legte er auf und sagte: »Ich habe einen Wagen und Begleitschutz geordert. Beryls Sachen werden später in die Wohnung gebracht. Oh, und Richard: Das wirst du sicher gern mitnehmen.« Er griff in die Innentasche seines Jacketts und 130
brachte eine halbautomatische Pistole zum Vorschein. Er reichte sie Richard. »Ich leihe sie dir. Ganz unter uns, natürlich.«
»Du bist sicher, dass du ohne sie auskommst?«
»Ich habe noch eine.« Daumier löste sein Schulterhalfter und gab es ebenfalls Richard. »Du kannst noch damit umgehen?«
Richard überprüfte den Magazinhalter und nickte grimmig.
»Ich denke schon.«
Ein Polizist klopfte. Der Wagen war da.
Richard nahm Beryls Arm und half ihr beim Aufstehen. »Zeit, für eine Weile abzutauchen. Bist du bereit?«
Sie schaute die Pistole an, die er in der Hand hielt, bemerkte, wie routiniert er damit umging, wie gekonnt er sie in das Halfter schob. Ein Profi, dachte sie. Wie gut kenne ich dich eigentlich, Richard Wolf?
Aber im Moment war diese Frage irrelevant. Er war der Einzige, auf den sie zählen konnte, er war derjenige, dem sie vertrauen musste.
Sie verließ das Zimmer und folgte ihm.
»Hier sollten wir sicher sein. Zumindest für heute Nacht.«
Richard verriegelte die Tür zweimal und drehte sich zu ihr um.
Sie stand mitten im Wohnzimmer, mit verschränkten Armen, und war wie betäubt. Das war nicht die selbstbewusste, eigensinnige Beryl, die er kannte. Das war eine Frau, die gerade die Hölle erlebt hatte und wusste, dass es noch nicht vorbei war.
Er wollte zu ihr gehen, sie in den Arm nehmen und ihr versprechen, dass sie in seiner Gegenwart sicher war. Aber sie beide wussten, dass er dieses Versprechen eventuell nicht würde halten können. Schweigend ging er durch die Wohnung, überprüfte, ob alle Fenster verriegelt waren und die Vorhänge geschlossen. Ein Blick nach draußen verriet ihm, dass zwei Männer das Gebäude bewachten, einer am vorderen und einer am 131
hinteren Eingang. Unsere Absicherung, dachte er. Falls meine Aufmerksamkeit nicht ausreicht. Und sie würde nicht ausreichen.
Denn früher oder später würde auch er schlafen müssen.
Nachdem er sich überzeugt hatte, dass alle Fenster und Türen versperrt waren, ging er zurück ins Wohnzimmer. Beryl saß auf der Couch und war sehr schweigsam, ganz still. Sie wirkte beinahe … besiegt.
»Alles in Ordnung?« fragte er.
Sie zuckte mit den Schultern, als ob diese Frage keine Rolle spielte – als ob sie sich auf wichtigere Dinge konzentrieren sollten.
Er zog seine Jacke aus und warf sie über einen Sessel.
»Du hast noch nichts gegessen. In der Küche steht was.«
Ihr Blick ruhte auf seinem Schulterhalfter. »Warum hast du Schluss gemacht?« fragte sie.
»Du meinst, mit der Firma?«
Sie nickte.
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