Verrat und Verführung
Unglaublich – würde Mark Buckley tatsächlich so weit gehen und versuchen, den Gentleman auszurauben, der ihn festnehmen wollte? „Lord Rockleys Heim liegt weit entfernt. Deshalb kann er nach dem Fest nicht zurückkehren und wird in Oakbridge übernachten.“
„Tatsächlich?“ Erstaunt und sogar leicht beunruhigt über diese Enthüllung, starrte Buckley vor sich hin. „Nun, falls er seine Neugier befriedigen möchte, wird er nichts aufstöbern. Dafür sorge ich. In der Zwischenzeit liegt es bei Euch, ihn zu amüsieren, damit wir unsere Geschäfte ungestört erledigen können.“ Wohlgefällig betrachtete er Christinas Gesicht. „So, wie Ihr ausseht, sollte Euch das nicht schwerfallen. Sagt mir doch, ist er jung, dieser Lord Rockley?“
Wortlos nickte sie.
„Wie jung?“
„Etwa – dreißig oder ein bisschen älter.“
Der funkelnde Spott in Mark Buckleys Augen erlosch, denn er fürchtete, nicht nur Rockleys Untersuchung der Raubüberfälle würde eine Gefahr darstellen. „Sieht er gut aus?“
Als Christina an die anziehende äußere Erscheinung des Gentleman erinnert wurde, spürte sie heißes Blut in ihren Wangen. Dagegen war sie machtlos. „Nun, ich – ich glaube, er ist … passabel“, antwortete sie vorsichtig.
„Passabel?“, wiederholte Buckley misstrauisch. „Wie Euer Erröten bekundet, sieht Seine Lordschaft nicht nur passabel aus.“ Grob umschloss er ihr Handgelenk. „Nehmt Euch in Acht, Miss Christina. Bedenkt, was Ihr tut und was Ihr sagt. Wer mich verrät, darf keine Gnade erwarten.“ So schnell, wie er sie gepackt hatte, ließ er sie wieder los. „Und vergesst nicht – Eure eigenen Interessen stehen auf dem Spiel.“
Herausfordernd warf sie den Kopf in den Nacken. „Ginge es nach mir, würdet Ihr von hier verschwinden, und ich müsste Euch nie wiedersehen.“
„Trotzt mir nicht, Miss Christina!“ Unsanft umfasste er ihr Kinn und beugte sich zu ihr hinab. „Das würdet Ihr bitter bereuen. Ein zartes Gesicht wie Eures würde einen Faustschlag wohl kaum verkraften.“
„Mit Euren Drohungen jagt Ihr mir keine Angst ein“, zischte sie tapfer.
„Ach, wirklich nicht? Das solltet Ihr Euch anders überlegen, denn ich kenne Mittel und Wege, um Euch vom Gegenteil zu überzeugen.“ Seine Hand sank hinab, und er schob Christina von sich. „Geht jetzt, richtet Eurem teuren Bruder aus, ich nehme seine Warnung zur Kenntnis, und ich danke ihm für die Nachricht. Aber sie ändert nichts an meinen Plänen. Vor uns liegt eine arbeitsreiche Nacht. Was Euch betrifft – seht zu, dass Ihr Rockley morgen früh loswerdet.“
Sie wollte sich abwenden. Doch dann zögerte sie. Von seinem harten Griff schmerzte ihr Kinn immer noch. „Um eines muss ich Euch bitten, Mr Buckley. Würdet Ihr ein Blutvergießen vermeiden? Einige unserer Gäste sind schon etwas älter, und ich hoffe, sie bleiben unversehrt.“
„Das kann ich Euch nicht versprechen. In diesem Geschäft pflege ich mich nicht zu fragen, wem ich auflauere und wen ich ungeschoren lasse. Wenn die Leute Schwierigkeiten machen, muss man sie … ein bisschen erschrecken. Manchmal ist das die einzige Möglichkeit, um sie zur Herausgabe ihrer Wertsachen zu bewegen.“
„Ich flehe Euch an, tut es nicht!“, würgte sie hervor, ehe sie davoneilte. Sie wusste, dass Buckley ihr nachblickte. Und sie fürchtete, er würde ihr in den Tunnel folgen und über sie herfallen. Diese Angst schien ihren Füßen Flügel zu verleihen.
Erst im Weinkeller, wo die Stimmen der geschäftigen Dienstboten durch die Tür zur Küche herabdrangen, verlangsamte sie ihre Schritte.
Während sie an den Weinregalen vorbeihuschte, entdeckte sie im Laternenlicht plötzlich einen großen dunkelhäutigen Mann, der soeben aus den Schatten getreten war. Sie kannte ihn nicht. Wer mochte das sein?
Das musste sie herausfinden. „Euch sah ich hier noch nie. Habt Ihr Euch verirrt? Ich bin Miss Atherton, Lord Athertons Schwester.“
„Und ich bin Henry, Lord Rockleys Kammerdiener. Zu Euren Diensten, Miss Atherton. Gerade war ich in der Küche, wo ich mein Supper aß.“
„Oh, ich verstehe.“ Unsicher schaute sie in seine täuschend schläfrigen Augen und gewann den Eindruck, er wäre keineswegs so müßig gewesen, wie er wirkte. „Hoffentlich wurdet Ihr gut verköstigt.“
„Sehr gut, danke.“
„Wie Ihr seht, ist das der Weinkeller – nicht die Küche.“
„Das weiß ich, Miss Atherton. Verzeiht mir, ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. Das ist ein
Weitere Kostenlose Bücher