Verrat und Verführung
brauchbare Hinweise zu geben?“
Oh, warum musste Lord Rockley mit seinem messerscharfen Verstand stets die richtigen Schlussfolgerungen ziehen? Die Fragen, die er so unumwunden stellte, durchbrachen ihre höfliche Fassade. Entschlossen, das bedrückende Gespräch abzukürzen, richtete Christina sich kerzengerade auf und schaute ihm direkt in die Augen.
„Sir, wie Ihr wisst, müssen mein Bruder und ich uns um zahlreiche Gäste kümmern. Auf so rüde Weise verhört zu werden, missfällt mir gründlich – insbesondere in einer Sache, die mich nicht betrifft. Eure Hartnäckigkeit ist unerträglich. Falls Ihr nur in dieses Haus gekommen seid, um mich auszuhorchen, muss ich Euch ersuchen zu gehen, so unfreundlich das auch erscheinen mag. Entweder das – oder Ihr werdet heute Abend nicht mehr über die Räuber reden.“
Zitternd kämpfte sie gegen ihren Zorn an, der ihre Augen wie harte blaue Kristalle wirken ließ. Simon musterte sie nachdenklich, wider Willen gerührt über ihre Jugend – viel älter als neunzehn Jahre konnte sie nicht sein – und ihre sichtlichen Schuldgefühle. Schließlich antwortete er erstaunlich sanft: „Ihr habt ganz recht, ich vergaß meine Manieren, und ich bitte Euch um Verzeihung.“ Er streckte die Hand aus. „Zu meinem Bedauern habe ich Euch aufgeregt, das merke ich Euch an. Kommt, setzt Euch für eine Weile vor das Feuer und beruhigt Euch, bevor Ihr zu den Gästen zurückkehrt. Heute Abend werde ich die Straßenräuber nicht mehr erwähnen.“
Christina starrte ihn argwöhnisch an. „Versprecht Ihr mir das?“
„O ja, wir werden uns einfach nur unterhalten. Eine heitere Konversation mit einer ungewöhnlich schönen jungen Dame – dieses Vergnügen wurde mir lange nicht gewährt.“
Von seinem Kompliment verwirrt, zögerte sie. Fand er sie wirklich so schön? Wahrscheinlich nur eine belanglose Schmeichelei … Andererseits hatte er sie schon bei der ersten Begegnung geküsst. Und was sie in seinen Augen gelesen hatte, war eindeutig weit über Schmeicheleien hinausgegangen. Nun bot er ihr eine Ruhepause an, und sie sehnte sich nach ein paar erholsamen Minuten, um ihre innere Anspannung zu überwinden. Was mochte es schon schaden, wenn sie seinem Vorschlag zustimmte?
„Also gut, ich werde mich vor das Feuer setzen. Nur kurz – dann muss ich mich den Gästen endlich wieder zeigen.“
Simon nickte, und er ahnte, dass sie ihm nicht nur einen Teil ihrer kostbaren Zeit gönnen würde. Bei diesem Gedanken lächelte er, und der unerwartete Schimmer seiner weißen Zähne beschleunigte Christinas Herzschläge.
Um ihre Gefühle zu zügeln, weigerte sie sich, seine ausgestreckte Hand zu ergreifen, floh aus seiner gefährlichen Nähe und ging zum Kamin.
Er wartete, bis sie Platz genommen hatte. Dann setzte er sich ihr gegenüber. Schweigend blickte er in die Flammen, und sein attraktives Profil im goldenen Feuerschein nahm Christina den Atem. Ohne jeden Zweifel war er ein unglaublich schöner Mann …
Hastig verwarf sie diesen Gedanken, denn er passte keineswegs zu der unglückseligen Situation, in die sie durch seine Ankunft geraten war. Als er sich unvermittelt zu ihr wandte, wirkten seine Augen nicht mehr scharf und durchdringend, sondern so ruhig wie das Meer an einem windstillen Tag.
Das schwache Licht der Flammen versilberte ihr blondes Haar und warf Schatten auf ihre Wangen. So blutjung und unschuldig sieht sie aus, dachte er. Mit ihrer Schönheit, von dem eisblauen Kleid reizvoll betont, schien sie von innen her zu leuchten.
In seinem Sessel zurückgelehnt, schlug er die Beine übereinander und klopfte nonchalant auf die Armstütze. Langsam ließ er seinen Blick durch den gedämpft beleuchteten Raum schweifen. Unverkennbar Miss Athertons Domäne, entschied er. Auf einem kleinen intarsierten Tisch zwischen den gepolsterten Sesseln, in denen sie saßen, lagen Bücher und ein Stickrahmen.
Simon ergriff ein geöffnetes Buch – ganz vorsichtig, um die aufgeschlagene Seite nicht zu überblättern – und studierte den Titel auf dem Lederrücken des Einbands. „Ah, ein Reisebericht über Frankreich und Italien. Sehr interessant. Vertieft Ihr Euch darin, Miss Atherton?“
„Ja, ein aufschlussreiches Werk. Unglücklicherweise liest William nicht gern und zieht einen Aufenthalt im Freien vor. Reiten, Jagen und Angeln – das sind seine liebsten Beschäftigungen.“
„Und er überlässt es Euch, den Haushalt zu führen?“
„Gewiss, aber das stört mich nicht.“
„Wie
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