Verrat und Verführung
erregende Vorahnung stieg in ihr auf.
„Nun, ich nehme an, es liegt an Eurem Haar und der Augenfarbe, Miss Atherton.“
„Ja, William und ich sind blond und blauäugig. Aber damit hört die Ähnlichkeit auch schon auf. Vom Wesen her sind wir grundverschieden.“
„Da muss ich Euch zustimmen. Ich glaube, Ihr seid viel stärker.“
„Manchmal muss ich das sein“, murmelte sie geistesabwesend. „So innig ich meinen Bruder auch liebe – er neigt dazu, sich aufzuspielen, wann immer es ihm gefällt. Solchen Unsinn dulde ich nicht, weder von William noch von irgendeinem anderen Mann.“ Nach einer kleinen Pause fragte sie: „Seid Ihr verheiratet, Lord Rockley?“
Er schüttelte den Kopf. „Im Lauf der Zeit machte ich mehreren reizenden jungen Damen den Hof, ohne eine dauerhafte Verbindung einzugehen. Das hat mit meinem jahrelangen Kriegsdienst zu tun. An eine Ehe und die Gründung einer Familie konnte ich gar nicht denken.“
„Und wo lebt Ihr, wenn Ihr nicht bei Eurem Bruder wohnt?“, fragte Christina.
„Wie gesagt, in Hertfordshire. Dort erbte ich ein Haus, Tapton Park, das meiner Mutter gehörte. Unglücklicherweise stand es sehr lange leer und muss dringend instand gesetzt werden. Letztes Jahr begannen Baumeister, Zimmermänner und Maler zu arbeiten. Hoffentlich sind sie bald fertig, dann werde ich ein eigenes Heim besitzen.“
„Ah, ich verstehe … Sir John erzählte mir, was Eurer Familie zustieß, Sir. Es tut mir schrecklich leid. Für Euch muss das ein schwerer Schlag gewesen sein.“
„Gewiss. Vielleicht versteht Ihr nun, warum es für mich so wichtig ist, Buckley aufzuspüren und seiner gerechten Strafe zuzuführen?“
„Besteht kein Zweifel an seiner Schuld?“
„Nicht der leiseste, Miss Atherton.“
„Und … werdet Ihr noch lange bei Eurem Bruder wohnen?“
„Je nachdem.“
„Wovon hängt es ab?“
„Von der Zeit, die ich brauchen werde, um die Diebesbande auszurotten, die dieses Gebiet in Angst und Schrecken versetzt.“
„Ihr wollt eine sehr gefährliche Mission erfüllen, Sir. Allerdings nehme ich an, Ihr habt Eure Fähigkeiten bei Euren Kämpfen für die Königin hinreichend bewiesen. Sicher habt Ihr zahlreiche Männer getötet.“
„Wann immer es unumgänglich war.“
Nachdenklich starrte Christina vor sich hin. „Schon oft habe ich mir überlegt, wie man sich angesichts eines Feindes fühlen mag, der mit gezücktem Degen auf einen zustürmt.“
„Was würdet Ihr tun? Euch wehren?“
„Natürlich. Ich bin kein Schwächling, der in Deckung gehen würde. Und ich glaube, die Frauen sind tüchtiger, als es die Männer unsereins zubilligen. Jede würde töten, um die Menschen zu verteidigen, die sie liebt. Es würde mir missfallen, aber es wäre ein notwendiges Übel.“
„Ihr gleicht Diana, der Jagdgöttin. Was Euren Mut betrifft, scheint ihr den Männern in nichts nachzustehen. Wenn Ihr in Zorn geratet, werdet Ihr Euch in eine Tigerin verwandeln.“ Ein Lächeln erhellte seine Züge. „In Eurer Nähe muss ich mich in Acht nehmen, Miss Atherton.“
„Bitte, verspottet mich nicht, Sir. Ich meine es ernst.“
Einen Finger unter ihr Kinn gelegt, hob er ihr Gesicht empor. „Ich verspotte Euch keineswegs. Auch ich meine es ernst.“
Die Berührung raubte ihr den Atem und entzündete eine Flamme in ihrem Blut; die Intensität seiner grauen Augen fesselte sie. Noch nie in ihrem Leben hatte sie die Wirkung einer so bezwingenden Kraft gespürt. Kein einziger Mann hatte sie jemals so glutvoll betrachtet. Lord Rockleys Blick streifte ihre leicht geöffneten Lippen. Reglos standen sie beisammen. Christina erschauerte unter den exquisiten Gefühlen, die sie durchströmten.
Und dann kehrten beklemmende Gedanken an Mark Buckley zurück. Von neuer kalter Angst erfasst, wich sie zur Seite und bewog Simon, seine Hand sinken zu lassen.
„Nun muss ich wirklich gehen. Bitte, entschuldigt mich, Sir. Hoffentlich werdet Ihr genießen, was von diesem Abend noch übrig bleibt.“
Als sie sich abwandte, spürte sie plötzlich seinen warmen Atem im Nacken, einen starken Arm, der ihre Taille umschlang.
„Von Anfang an hat mich Eure Schönheit überwältigt“, flüsterte Simon, seinen Mund bedrohlich nahe bei ihrem Ohr.
Christina rührte sich nicht – durfte sich nicht umdrehen, nicht in seine silbergraue Augen schauen und von den Gefühlen betört werden, die er in ihr entfachen wollte.
„Wären wir uns heute Abend nicht erneut begegnet“, fuhr er fort, „hätte mich die
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