Verrat und Verführung
froh, weil Miranda für meinen Bruder sorgen und ihn vor Dummheiten bewahren wird.“ In diesen Worten schwang eine tiefere Bedeutung mit, die weder die Braut noch ihr Vater verstanden. Aber William errötete ärgerlich und entspannte sich erst, als er merkte, seine Schwester würde keine nähere Erklärung abgeben. „Sicher werden die beiden eine sehr glückliche Ehe führen.“
Miranda lachte perlend. „Soll ich dir ein kleines Geheimnis verraten, Christina? Ich werde William unablässig beschäftigen. Also wird er gar keine Zeit für Dummheiten finden.“
„Wenn du wirklich einen Mann heiraten möchtest, der gerade finanzielle Schwierigkeiten hat, sage ich Ja, Liebste.“
Erstaunt hörte Christina, wie demütig die Stimme ihres Bruders klang. Dann wandte er sich zu seinem künftigen Schwiegervater.
„Tut mir leid, Sir, das Oakbridge-Landgut hat schon bessere Tage gesehen, und die Lage wird sich bald bessern. Aber in letzter Zeit …“
Mr Kershaw hob eine Hand und brachte ihn zum Schweigen. „Mach dir nichts draus, mein Junge. Wir alle erleiden hin und wieder solche Rückschläge. Vielleicht kann ich dir helfen. Darüber reden wir ein anderes Mal. Im Moment weiß ich nur eins – wenn du meine Tochter nicht heiratest, wird sie ihr Leben als alte Jungfer beenden.“
„Und was für eine Tragödie das wäre, mein Liebling!“, flötete Miranda. Zärtlich umfasste sie Williams Hand. „Das wirst du mir doch nicht zumuten?“
„Keineswegs“, versicherte er und küsste ihre Fingerspitzen. „Also gibt es nur einzige Möglichkeit – wir müssen sofort heiraten.“
Eine Woche später fuhren sie alle nach Cirencester zum Stadthaus der Kershaws, wo die Hochzeit stattfand – in kleinem Rahmen, aber in heiterer Atmosphäre. Nur die engsten Verwandten und ein paar Freunde waren eingeladen.
Wieder daheim, fand Christina einen Brief von ihrer Tante Celia vor, die über Williams vorgezogene Heirat informiert worden war und sie nun wie geplant in London erwartete. Denn jetzt führte die neue Lady Atherton das Regiment in Oakbridge.
Celia schrieb, sie wisse, wie sehr die Nichte ihr Elternhaus und die ländliche Idylle liebe. Vielleicht könne sie ihr in der Hauptstadt keine aufregenden Abwechslungen bieten, aber immerhin interessante Sehenswürdigkeiten und die Bekanntschaft neuer Freunde. Allzu schmerzlich würde Christina ihre gewohnte Umgebung nicht vermissen. Wann immer sie es wünsche, solle sie zu ihr ziehen.
Während Miranda allmählich ihre Pflichten als Herrin von Oakbridge übernahm, freute Christina sich auf ihre Abreise. Nun sorgte sie sich nicht mehr so sehr um William.
In seinem jungen Eheglück schien er zu vergessen, dass Buckley immer noch auf freiem Fuß war und eine Bedrohung darstellte, bis man ihn endlich verhaften würde.
Umso klarer erkannte Christina die Gefahr, denn Mark Buckley glaubte, die Athertons hätten ihn an die Behörden verraten. Gewiss wäre die Annahme, er würde nicht auf Rache sinnen, ein schwerer Fehler.
Die Befürchtungen bewahrheiteten sich. Wenige Tage nach Williams Hochzeit ritt Buckley tollkühn zum Haupteingang von Oakbridge. Nachdem Christina ihn zufällig durch ein Fenster im oberen Stockwerk beobachtet hatte, eilte sie erschrocken nach unten. Ehe er absteigen konnte, öffnete sie die Tür. Er sah erschöpft und ungepflegt aus, und sie überlegte, wo er sich versteckt haben mochte. Diesen Gedanken ließ sie sofort fallen, denn das bekümmerte sie nun wirklich nicht.
„Was ist denn los, Mr Buckley?“, fragte sie ironisch. „Gibt es keinen Schlupfwinkel mehr, wo Ihr Euch verkriechen könnt? Wenn Ihr uns bestehlen möchtet, solltet Ihr sofort wieder verschwinden. Vor Dieben, die in anderer Leute Häuser einbrechen, erschrecke ich nicht, denn in Oakbridge findet man keine Wertsachen mehr. Also verschwendet Ihr nur Eure Zeit.“
„Keck und furchtlos wie eh und je, was?“, murrte er.
„Nun, ich habe mich nicht geändert, falls Ihr das meint. Was wollt Ihr?“
Buckley lenkte sein Pferd zu Christina. In seinen verengten Augen erschien ein herausforderndes Glitzern. „Vorerst darf ich mich nirgendwo zeigen. Da Oakbridge groß genug ist, könnt Ihr mich sicher für ein paar Tage unterbringen.“
Mit dieser anmaßenden Forderung übte er eine unerwartete Wirkung auf Christina aus. Kein bisschen zuckte sie vor der kaum verhohlenen Drohung zurück, und das anfängliche Entsetzen über seine Ankunft ging in heißen Zorn über. Wie konnte er sich erdreisten, hier
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