Verrat und Verführung
Krankheit leiden. Aber dann begannen ihre Brüste zu schmerzen, und es gab keinen Zweifel mehr an der schrecklichen Wahrheit – unter ihrem Herzen wuchs Simon Rockleys Kind heran.
In ihrer Unschuld hatte sie das nicht bedacht, in seinen Armen, im Bann heißer Leidenschaft, keine Sekunde lang die möglichen Konsequenzen erwogen. Zunächst hatte sie geglaubt, ihre Monatsblutung wäre nur wegen all der Aufregungen ausgeblieben. Jetzt wusste sie es besser. Mühsam unterdrückte sie ein Schluchzen. Sie erwartete ein Baby von dem Mann, der sie furchtbarer Vergehen angeklagt und sie eine Hure genannt hatte – um wenig später über sie herzufallen, seine Lust zu stillen und sie danach so kaltschnäuzig zu verlassen.
Nur kurzfristig hatte der vermeintliche Liebesakt heiße Freude in ihr erweckt und ihr ein trügerisches Glück beschert, ehe ihr die grausame Wahrheit bewusst geworden war.
So dumm und naiv bin ich gewesen, warf sie sich vor. Von einem solchen Mann hätte sie nichts anderes erwarten dürfen. Rücksichtslos, nur an seinem eigenen Vergnügen interessiert, hatte er sie genommen und geschwängert.
Gegen ihren Willen fingen die Tränen zu fließen an, unglücklich rang sie die Hände. Was konnte sie tun? Wie sollte sie ihrem Bruder beibringen, in welchem Zustand sie sich befand? In nicht allzu ferner Zeit würde man ihr die Schwangerschaft ansehen. Alle Leute würden über sie tuscheln und sie verachten, eine Frau, die ihre Tugend verloren hatte. Es sei denn, sie versteckte sich irgendwo – oder sie zog sofort nach London, zu ihrer Tante Celia.
In einer Situation, die sie ohne Hilfe nicht zu meistern vermochte, spendete ihr allein schon der Gedanke an ihre vernünftige, besonnene Tante einen gewissen Trost. Sicher würde Celia wissen, was zu tun war.
8. KAPITEL
Tante Celia, die Schwester ihrer Mutter, war auch ihre Patentante. Schon in jungen Jahren hatte ihr Gemahl, ein wohlhabender, ranghoher Regierungsbeamter, das Zeitliche gesegnet.
Da die Ehe kinderlos geblieben war und Celia nicht mehr heiraten wollte, nahm sie nach dem Tod der Schwester die Nichte unter ihre Fittiche. Nachdem auch ihr Schwager gestorben war, hatte sie den Wunsch geäußert, Christina möge bei ihr in London wohnen.
Noch immer zeigte Celias Gesicht die Spuren einstiger Schönheit. Zierlich gebaut, mit üppigem, schneeweißem Haar, das sich ständig aus den Nadeln löste, behielt sie stets einen klaren Kopf. Zudem war sie warmherzig und aufgeschlossen. Trotzdem – so freizügig die Tante auch sein mochte – sah Christina gewisse Schwierigkeiten voraus, die das Geständnis ihrer Schwangerschaft betreffen würden.
Die Tante bewohnte ein stattliches Haus mit Aussicht auf den Green Park, das etwas antiquiert eingerichtet war. Doch das störte Christina nicht. Hier hatte sie als junges Mädchen sehr oft angenehme Wochen verbracht.
Erfreut führte Celia ihre Nichte in die Eingangshalle, während die Dienerschaft das Gepäck aus der Reisekutsche lud. „So lange habe ich dich nicht gesehen, meine Liebe!“ Ihre blauen Augen strahlten vor Entzücken. „Und schau dich einmal an – du bist sogar noch schöner als deine Mutter, und die war wirklich bezaubernd. Ich bin ja so glücklich, weil du meine Einladung angenommen hast und zu mir übersiedelt bist. So viel Spaß werden wir miteinander haben. Aber – du meine Güte, du bist ja ganz blass! Komm her, lass dich küssen.“
Das tat sie, und Christina erwiderte die liebevolle Umarmung genauso gefühlvoll.
„Setzen wir uns im Salon ans Feuer“, entschied Celia. „Gleich wird ein Dienstmädchen Erfrischungen servieren. Du musst mir alles über Oakbridge und Williams Hochzeit mit Miss Kershaw erzählen. Wie aufregend muss das gewesen sein! Oh, ich bin ja so froh, dass er sich endlich häuslich niedergelassen hat. Natürlich will ich auch wissen, was du die ganze Zeit gemacht hast.“
Christina lächelte gequält. Nun stand der gefürchtete Augenblick bevor. Sie hatte beschlossen, ohne Umschweife die Wahrheit zu gestehen. Im Lauf der Jahre war ihr die Tante ans Herz gewachsen, hatte sie niemals enttäuscht. Zweifellos verdiente die alte Dame rückhaltlose Ehrlichkeit.
Außerdem drängte es sie, jemandem anzuvertrauen, was sie bekümmerte, und in ihrem Leben gab es sonst niemanden. „Meine Geschichte wird dir missfallen.“
Die Tante sank in einen Sessel vor dem Kamin und bedeutete Christina, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Gelassen winkte sie ab. „Wohl kaum, Kindchen, ich liebe
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