Verrat und Verführung
spannende Geschichten. Erzähl mir alles von Anfang an. Wir haben genug Zeit, und ich werde dir bis zum Ende aufmerksam zuhören.“
„Was seit unserer letzten Begegnung auf Oakbridge geschah, kannst du dir gar nicht vorstellen. Manchmal fragte ich mich, ob ich das alles tatsächlich erlebte – oder ob es nur ein grausiger Albtraum war.“
Erschrocken beugte Celia sich vor. Wie sie mit ihren scharfen Augen sofort festgestellt hatte, war ihre schöne Nichte völlig verzweifelt. Und das hing sicher nicht mit Christinas Heimweh nach ihrem geliebten Oakbridge zusammen. „Was meinst du? Allmählich sorge ich mich. Ist dir irgendetwas zugestoßen?“
„Das wirst du gleich erfahren, Tante“, sagte Christina tonlos. „Leicht fällt es mir nicht, ein gewisses Thema anzuschneiden … Danach willst du mich vermutlich nach Oakbridge zurückschicken.“
„Da kennst du mich schlecht. Raus mit der Sprache!“
Und so schilderte Christina all die beklagenswerten Ereignisse. Sie berichtete von Williams Spielsucht, seinen Schulden, vom verhängnisvollen Einfluss des schurkischen Mark Buckley auf ihren Bruder. Bald kamen die Worte wie von selbst über ihre Lippen, und es tröstete sie ein wenig, sich das alles von der Seele zu reden.
Prompt verdammte Celia das unbesonnene Verhalten ihres Neffen. „Dieser dumme Junge!“, schimpfte sie erbost. „Warum muss er uns so bitter enttäuschen? Wo er doch alle Möglichkeiten hatte, das Beste aus sich zu machen, seinen Vater mit Stolz zu erfüllen und die Verantwortung für seine Schwester zu übernehmen! Und was tut er stattdessen? Er verschleudert seine Chancen, um sich in London zu amüsieren, noch dazu auf so fragwürdige Weise! Was für eine Schande! Und dieser Buckley? Wurde er verhaftet?“
„Nein, leider noch nicht.“
„Dann hoffen wir, er sitzt hinter Gittern, bevor er sich an deinem Bruder rächt, diesem törichten Schwächling!“
Bei diesen harten Worten erbleichte Christina. „Darauf hoffen wir alle, Tante.“
„Ja, das ist verständlich. Aber du hast mir noch mehr mitzuteilen, nicht wahr?“
Krampfhaft schluckte Christina und nickte. „Unglücklicherweise …“
Von ihrer Beziehung mit Lord Rockley zu erzählen und so intime Dinge zu erwähnen, bereitete ihr noch größere Schwierigkeiten als der erste Bericht. Eine Zeit lang zögerte sie. Aber in den blauen Augen ihrer Tante las sie ein so tiefes Mitgefühl, dass sie schließlich zu sprechen begann. Nachdem sie stockend gestanden hatte, sie würde Simon Rockleys Kind erwarten, verstummte sie und wappnete sich gegen Celias moralische Entrüstung.
Aber die lebenserfahrene alte Dame neigte sich wieder vor. Seufzend tätschelte sie die Hände ihrer Patentochter, die zitternd in deren Schoß lagen. „Und ich dachte, ich hätte aufregende Abenteuer bestanden. Du übertriffst mich bei Weitem, mein Liebes.“
„Bist du nicht entsetzt?“, fragte Christina schüchtern.
„Doch, das bin ich. Würde ich das Gegenteil behaupten, wäre es eine Lüge.“
„Tut mir so leid …“, beteuerte Christina. „Das wusste ich – du würdest mich verachten, weil ich unsere Familie in Schande stürze.“
„Unsinn, Kindchen.“ Celia schenkte ihr ein sanftes Lächeln. „Manchmal kann eine junge Frau nicht verhindern, was mit ihr geschieht. Gewissermaßen wird sie ein Opfer der Umstände.“
„Oder eines verführerischen Lords“, murmelte Christina.
„Oder eines verführerischen Lords“, bestätigte ihre Tante. „Zum Glück hast du nicht versucht, mir deinen Zustand zu verheimlichen. Auf solche Enthüllungen war ich allerdings nicht gefasst. Wie auch immer, ich mache dir keine Vorwürfe. Offensichtlich warst du in einer Situation, in der du keine Wahl hattest. Du bist einfach deinem Herzen gefolgt.“ Den Kopf schief gelegt, schaute sie ihre Nichte prüfend an. „Dieser Lord Rockley … Was empfindest du für ihn? Liebst du ihn?“
Christina blinzelte. Warum stellte Tante Celia eine so ungeheuerliche Frage? Verstand sie denn nicht, was sie soeben gehört hatte?
Für ein paar Sekunden schien Simons hochgewachsene, breitschultrige Gestalt im gemütlichen Salon aufzutauchen. Entschlossen verdrängte Christina die unwillkommene Vision. „Ob ich ihn liebe? Nein, natürlich nicht.“
„Warum sehe ich dann diese Sehnsucht in deinen Augen, wenn du von ihm sprichst?“, wollte Celia wissen.
„Irgendwie habe ich mir … eine gewisse Verletzlichkeit erlaubt“, flüsterte Christinas.
„Und das Baby? Wie ich
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