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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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lassen. Sie konnte froh sein, dass jetzt nur ein ziemlich unschuldig aussehender Kerl in ihrer Wohnung stand und nicht irgendein skrupelloser Junkie.
    Der Mann kam ein paar Schritte näher und reichte ihr die Hand.
    »Ich bin der neue Nachbar, Sven Nielsen.«
    Sie kam wieder zu sich. Schüttelte ihm die Hand.
    »Susan Staal.«
    »Ich weiß.«
    Sie schaute ihn verständnislos an. Er zeigte über seine Schulter. »Das Türschild. Und dein Haussitter. Dieser Hardrock-Musiker.«
    »Ach ja.«
    Ihr wurde klar, dass sie ziemlich dämlich wirken musste. Das war natürlich der Mann, von dem ihr Reno erzählt hatte. Einen schönen ersten Eindruck musste er von ihr gewonnen haben. Erst ein sehr persönliches Telefongespräch, auf das sie nicht gerade stolz war, und anschließend eine Schimpfkanonade ins Leere.
    Sie hätte die ganze Sache am liebsten vergessen. Sie rieb mit den Handflächen über die Seitennähte ihrer Jeans, um ihre Unsicherheit zu überspielen.
    »Entschuldige, Sven, aber ich bin wohl ziemlich durcheinander. Komm doch rein.«
    Sie wies einladend auf den Esszimmertisch, und er setzte sich. Seinem Gang nach zu urteilen hätte er Sportler sein können. Oder Physiotherapeut. Ja, genau, Physiotherapeut, Sportmasseur, irgendetwas in der Richtung. Sie konnte sich gut vorstellen, wie er mit älteren Leuten auf dem Flur eines Reha-Zentrums Übungen durchführte. Nicht groß, aber stark. Sehnig. Sauber, gepflegt.
    Er wies mit einem Nicken auf das Telefon.
    »Beziehungsstress?«
    Er hatte das Telefonat also mitgekriegt. Es war ihr wahnsinnig unangenehm.
    »Ja, so was Ähnliches.«
    »Tja«, sagte er. »Ist es nicht immer ›so was Ähnliches‹? Ich habe immer geglaubt, mir könnte das nicht passieren, und so war es auch, mir ist es tatsächlich nicht passiert. Aber meiner Frau. Wenn alles gut geht, darf ich mein Kind in Zukunft an den Wochenenden sehen. Wenn ich Pech habe, schafft sie es, den Prozess noch ein paar Monate in die Länge zu ziehen, so lange, bis mein Kleines mich gar nicht mehr erkennt.«
    »Tut mir leid für dich.«
    »Ich werd’s überleben.«
    »Warum hat sie dich verlassen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Sie hat mich nicht verlassen, sie hat mich vor die Tür gesetzt. Ein Freund von mir hatte die Wohnung nebenan zu vermieten, deshalb wohne ich vorübergehend hier. Bis ich etwas anderes gefunden habe.«
    Sie nickte.
    »Entschuldige, dass ich dich damit belästige«, sagte er. »Aber ich habe eben mit dem Rechtsanwalt gesprochen. Normalerweise bin ich nicht so ungesellig, das kannst du mir glauben.«
    Sie glaubte ihm. Trotz der schwierigen Situation, in der er steckte, wirkte er wie ein fröhlicher, offener Mensch. Er war ihr auf Anhieb sympathisch. Irgendwie vertraut. Es musste an seiner Ausstrahlung liegen. Ein freundlicher, unkomplizierter Typ, der den Eindruck erweckte, sich überall gleich zu Hause zu fühlen.
    »Was ist denn passiert?«, fragte sie und fügte hinzu: »Vorausgesetzt, du möchtest darüber reden.«
    »Ach, die übliche Geschichte. Die Beziehung schläft ein, weil man nichts in sie investiert. Viel Streit um nichts. Dann lernte sie jemand anderen kennen, der ihr Spannung und Abenteuer verhieß, und sie ist davon überzeugt, dass das immer so bleiben wird. Barer Unsinn natürlich, aber zwischen den beiden stimmt halt die Chemie, was soll man dagegen machen.«
    Sie blickte ihn schweigend an. Von Chemie konnte sie ein Lied singen.
    Er schwieg für einen Augenblick. »So ähnlich war’s jedenfalls.«
    »Dir geht’s sicher nicht gut im Moment.«
    »Ach, halb so wild. Allmählich fange ich an, mich an den Zustand zu gewöhnen. So toll war sie nun auch wieder nicht. Außerdem muss ich ein Stück weit auch mir selbst die Schuld geben. Ich war praktisch nie zu Hause. Das Schlimme ist nur, dass ich so verrückt nach meinem Kind bin. Sonst wäre es gar nicht so schlimm für mich.«
    »Hast du einen Sohn oder eine Tochter?«
    »Einen Sohn. Er heißt Thomas.«
    »Wie alt ist er?«
    »Zwei Jahre. Und drei Monate.«
    Sie dachte an Alice und Sil. Die beiden hatten keine Kinder. Aber galt das als Freibrief, ihre Ehe auch nur im Mindesten zu gefährden? Alice würde nicht so leicht mit einer Trennung fertig werden wie ihr frischgebackener Nachbar. Das war sonnenklar.
    »Ich wollte gerade Kaffee kochen«, sagte sie und ging in die Küche. »Möchtest du auch eine Tasse?«
    »Gerne. Aber wenn ich ungelegen komme, bin ich sofort wieder weg, dann holen wir das Kaffeetrinken eben morgen nach. Sollte

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